Hochwasserkatastrophe | FAQ zum Planfeststellungsrecht

Durch die diesjährige Hochwasserkatastrophe in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind nicht nur Privathäuser beschädigt worden, sondern ebenfalls verheerende Schäden an Straßen, Brücken und Schienen eingetreten. Diese FAQs sollen eine erste Orientierung für den dringend notwendigen Wiederaufbau der Infrastruktur geben.

  • Ist für den Wiederaufbau beschädigter Autobahnen zwingend ein neues Planfeststellungsverfahren erforderlich?

Gemäß § 17 Abs.1 Satz 1 Fernstraßengesetz (FStrG) dürfen Bundesfernstraßen (Autobahnen und Bundesstraßen) nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Bei bloßen Unterhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen greift dieses Planerfordernis hingegen nicht.

  • Gilt dies beispielsweise auch für die Reparatur von Autobahnbrücken?

Die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 FStrG bezieht sich auf sämtliche Straßenbestandteile der Bundesfernstraßen und somit auch auf Brücken und Tunnelbauten.

  • Wie unterscheidet man eine Änderung von einer Instandhaltung?

Die Schwelle zwischen bloßer Instandhaltung und Änderung der Straße oder des Brückenbauwerks ist in der Praxis schwer zu definieren. Der Umfang der vorgenommenen Arbeiten ist nicht ausschlaggebend. Als Faustformel lässt sich aber festhalten, dass die Grenze zur Änderung der Straße bei einer Verbesserung der verkehrlichen Situation etwa durch mehr Fahrspuren auf einer Brücke überschritten ist. Kein Kriterium ist allerdings der Umfang der erforderlichen Arbeiten. Will man einen mit der alten Straße oder Autobahnbrücke identischen Ersatzbau errichten und sind noch Teile des Bauwerks vorhanden, ist somit keine Planfeststellung erforderlich.

  • Sind trotzdem geringfügige Verbesserungen möglich?

Wird auf der Straße lediglich der Mittelstreifen verschmälert oder der Standstreifen für den Verkehr freigegeben, um eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Straße zu erreichen, so ist ein solcher erweiterter Ersatzbau nach der Rechtsprechung ebenfalls ohne Planfeststellung zulässig.

  • Ist eine Planfeststellung erforderlich, wenn die Straße vollends zerstört ist?

Ist das planfestgestellte Vorhaben vollends zerstört, soll aber am selben Standort in der identischen Ausführung wieder errichtet werden, so lässt sich in Einzelfällen vertreten, dass auch ein solch identischer Ersatzbau ohne Planfeststellung zulässig ist. Dies bedarf einer genauen rechtlichen Prüfung. Besondere Bedeutung kommt hier insbesondere dem Zeitraum zwischen Zerstörung und Wiederaufbau des planfestgestellten Vorhabens zu.

  • Gelten diese Maßstäbe auch für Landstraßen?

Die Erforderlichkeit einer Planfeststellung bei der Änderung von Landstraßen richtet sich nach dem Landesrecht. Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Straßen- und Wegegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) dürfen Landesstraßen und Kreisstraßen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Ebenfalls sind auch in diesen Fällen Instandhaltungsmaßnahmen ohne Planfeststellung zulässig. Für die Abgrenzung von Änderung und Instandhaltung gelten die identischen Maßstäbe.

  • Gelten diese Maßstäbe auch für die Instandsetzung von Eisenbahnstrecken, -brücken und -tunneln?

Das Planerfordernis von Betriebsanlagen der Eisenbahn richtet sich nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG), welches ähnliche Maßstäbe wie das FStrG anlegt. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG dürfen Betriebsanlagen einer Eisenbahn nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Unterhaltungsmaßnahmen bedürfen auch in diesem Fall keiner Planfeststellung. Für die Grenze zwischen Erneuerung und Änderung gibt das AEG aber in § 18 Abs. 1 Satz 4 AEG Hinweise. So liegt nur dann eine Änderung vor, wenn bei der Erneuerung der Betriebsanlage der Grundriss, der Aufriss oder beides wesentlich geändert wird.

  • Eine erneute Planfeststellung ist voraussichtlich erforderlich, benötigt aber zu viel Zeit. Wie kann dafür gesorgt werden, dass die benötigte Infrastruktur zeitnah wiederhergestellt wird?

Gibt das geltende Recht keine Möglichkeit, die Infrastruktur wiederherzustellen, so liegt die Aufgabe beim Gesetzgeber auf Bundes und Landesebene, Voraussetzungen zu schaffen, mit denen eine Infrastruktur unkompliziert wiederhergestellt werden kann.

Es bietet sich insbesondere an, durch eine Gesetzesänderung Erleichterungen im Planungsrecht zu schaffen. So könnte etwa gesetzlich definiert werden, dass Instandhaltungsarbeiten in Katastrophengebieten auch den Wiederaufbau völlig zerstörter Infrastruktur erfassen. Außerdem könnte geregelt werden, dass in solchen Gebieten nicht alle Stufen eines Planfeststellungsverfahrens durchlaufen werden müssen.

  • Ist dies so einfach möglich? 

Der Gesetzgeber hat einen gewissen Spielraum. Die Grenze ist allerdings bei einem Verstoß gegen EU-Recht erreicht. Maßgeblich für das Fachplanungsrecht ist die Umweltverträglichkeitsprüfungs-Richtlinie der Europäischen Union. Deren Anwendungsbereich ist eröffnet, wenn u. a. wegen Art, Größe oder Standort eines Projekts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist. In diesem Fall müssen die Umweltauswirkungen der Projekte geprüft und die Öffentlichkeit beteiligt werden. Es ist sorgfältig zu prüfen, ob die Gesetzesänderungen nicht gegen die Richtlinie verstoßen. Andernfalls droht ein Vertragsverletzungsverfahren.

 

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Alexander Fritz

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