Am 19.09.2024 hat der EuGH sein Urteil in der Sache Booking.com (Rechtssache C-264/23) gefällt. Der EuGH hat entschieden, dass die von Booking.com verwendeten Bestpreisklauseln unter das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen, weil sie keine kartellrechtlich hinzunehmenden Nebenabreden darstellen. Das Urteil des EuGH schafft damit auch auf europäischer Ebene mehr Rechtssicherheit in Bezug auf die kartellrechtliche Beurteilung von Bestpreisklauseln.
Hintergrund
Bestpreisklauseln, d. h. vertragliche Vereinbarungen, die den Vertragspartner des Klauselverwenders verpflichten, dem Klauselverwender „immer den besten Preis“ einzuräumen, beschäftigen die Rechtsprechung schon seit geraumer Zeit. In Deutschland hatte allerdings der BGH mit seinem Beschluss vom 18.05.2021 bereits festgestellt, dass die von Booking.com verwendete „enge Bestpreisklausel“ keine von der Anwendung des Kartellverbots ausgenommene Nebenabrede darstellt und im Übrigen auch nicht die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung erfüllt. Wir hatten dazu bereits hier und hier berichtet.
Aufgrund der Entscheidung des BGH war seither jedenfalls für enge Bestpreisklauseln und für Marktteilnehmer, die aufgrund ihrer Marktstellung nicht mehr unter den Anwendungsbereich der Gruppenfreistellungsvereinbarung für vertikale Vereinbarungen fallen (Vertikal-GVO), klargestellt, dass solche Klauseln unzulässig sind.
Booking.com wollte sich indes damit nicht zufriedengeben und hat in den Niederlanden auf die Feststellung geklagt, dass die entsprechenden Klauseln als „notwendige Nebenabreden“ zu den mit den Kunden von Booking.com geschlossenen Verträge anzusehen sind und demgemäß nicht unter das Kartellverbot fallen. Dass mit der Frage befasste niederländische Gericht hat bzgl. dieser Frage sodann den EuGH im Wege eines vorab Entscheidungsverfahrens angerufen.
Die Entscheidung des EuGH
Der EuGH kommt in seiner Entscheidung zu dem gleichen Ergebnis, wie bereits der BGH: Bestpreisklauseln, die es dem Vertragspartner der Plattform untersagen, entweder im eigenen Vertrieb oder im Vertrieb über andere konkurrierende Plattformen günstigere Preise als auf der Plattform anzubieten, sind keine notwendigen Nebenabreden und aus diesem Grund nicht vom Anwendungsbereich des Kartellverbots ausgenommen. Der EuGH führt insoweit aus:
„Was die weiten Bestpreisklauseln betrifft, die es den auf der Buchungsplattform geführten Partnerhotels verbieten, auf ihren eigenen oder auf von Dritten betriebenen Vertriebskanälen-Zimmer zu einem niedrigeren Preis anzubieten als zu dem auf dieser Plattform angebotenen, so zeigt sich, dass die für die Hauptmaßnahme der Erbringung von Online-Hotel Buchungsdienstleistungen offensichtlich weder objektiv notwendig sind noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Ziel stehen. Es gibt nämlich keinen inneren Zusammenhang zwischen dem Fortbestand der Haupttätigkeit der Hotelbuchungsplattform und der Auferlegung solcher Klauseln, die ganz klar spürbar wettbewerbsbeschränkend wirken. Solche Klauseln können, abgesehen davon, dass die geeignet sind, den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Hotelbuchungsplattformen zu verringern, die Gefahr beinhalten, dass kleine Plattformen und neu eintretende Plattformen verdrängt werden.
Das gleiche gilt unter den Umständen des Ausgangsverfahrens für sogenannte „enge Bestpreisklauseln“, die es nur den Partner-Beherbungsbetrieben verbieten, der Öffentlichkeit auf ihren eigenen Online-Kanälen Übernachtungen zu einem niedrigeren Tarif als auf der Hotelbuchungsplattform anzubieten. Auch wenn diese engen Bestpreisklauseln auf den ersten Blick eine weniger wettbewerbsbeschränkende Wirkung haben und das Ziel verfolgen, der genannten Gefahr eines Trittbrettfahrens zu begegnen, auf die sich insbesondere Booking.com im Ausgangsverfahren beruft, ist nicht ersichtlich, dass sie objektiv notwendig sind, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Hotelbuchungsplattform zu gewährleisten.“
(EuGH, Rechtssache C-264/23, Rn. 61 ff.)
Der EuGH greift hier insbesondere das „Hauptargument“ von Booking.com auf, wonach Bestpreisklauseln zwingend erforderlich sind, um ein „Trittbrettfahren“ zu verhindern. Damit ist gemeint, dass der auf einer Hotelplattform nach Übernachtungsmöglichkeiten suchende Endkunde die Plattform nutzt, um den von der Plattform zur Verfügung gestellten Hotel- und Preisvergleich in Anspruch zu nehmen. Geht es dann um die Buchung, wechselt der Kunde direkt zum Hotelbetreiber und bucht dort den „günstigeren Preis“. Die Hotelplattform hat in diesem Fall ihre Leistung erbracht, ohne für die anschließende Buchung eine Provision erhalten zu können.
Der EuGH entscheidet hierzu, dass Bestpreisklauseln gleichwohl nicht zwingend erforderlich bzw. unerlässlich sind, um die Hauptleistung der Online-Buchungsplattformen erbringen zu können. Dagegen spreche schon der rein tatsächliche Befund, dass enge und weite Bestpreisklauseln in mehreren Mitgliedstaaten der Europäische Union verboten worden seien, ohne dass die Erbringung von Dienstleistungen durch Booking.com gefährdet worden wäre.
Wie der BGH im Jahr 2021 versagt auch der EuGH den Bestpreisklauseln damit die Qualifikation als notwendige Nebenabrede. Es bleibt daher nach der Entscheidung des EuGH dabei, dass Bestpreisklauseln in aller Regel dem Kartellverbot unterfallen. In einem zweiten Schritt ist dann jeweils zu prüfen, ob etwa aufgrund der Vorschriften der Vertikal-GVO oder aufgrund einer unter Umständen denkbaren Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV eine Befreiung in Betracht kommt.
Hinzuweisen ist noch, dass die Entscheidung des EuGH einen Sachverhalt betrifft, der noch unter der Geltung der „alten“ vertikal-GVO gespielt hat. Nach der neuen vertikal-GVO sind weite Bestpreisklauseln vom Anwendungsbereich der Freistellungsverordnung von vorneherein ausgenommen. Enge Bestpreisklauseln hingegen können von der Freistellung gemäß der Vertikal-GVO profitieren, solange die übrigen Voraussetzungen der Anwendbarkeit gegeben sind. Booking.com hilft das allerdings nicht weiter, denn der Marktanteil von Booking.com dürfte oberhalb der Marktanteilsschwelle von 30 % liegen, die für die Anwendbarkeit der Vertikal-GVO maßgebend ist.