Kapitalzuführung an staatliche Unternehmen und das Beihilfenrecht – Warum WestSpiel über 64,8 Mio. EUR an die Bundesrepublik zurückzahlen muss

Was haben das bundeseigene Unternehmen „DB Cargo AG“, ein ehemaliger Spielbankbetreiber des Landes Nordrhein-Westfalen, die „Westdeutsche Spielbanken GmbH & Co. KG (WestSpiel)“, und das kommunale ÖPNV-Unternehmen WestVerkehr gemeinsam?

Sie werden bzw. wurden allesamt mittelbar innerhalb öffentlicher Konzernstrukturen aus staatlichen Mitteln finanziert, die private Unternehmen in dieser Form oder in diesem Umfang nicht erhalten hätten. Während die beiden vorgenannten Beihilfenverfahren nach heutigem Stand noch offen sind, ist die Europäische Kommission in der Causa WestSpiel am 22.11.2024 (SA.48580) zu dem Schluss gelangt, dass die staatliche Kapitalzuführung Deutschlands zugunsten der WestSpiel nicht mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar ist. Deutschland muss nun die mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfen in Höhe von 64,8 Mio. EUR zuzüglich Zinsen von dem Unternehmen zurückfordern. Offen ist, wer diese stattliche Summe zahlen muss, denn die WestSpiel wurde im September 2021 an das private Spielbankunternehmen der Gauselmann-Gruppe verkauft. Die Frage, in welchem Umfang ein Käufer für Rückzahlungsverpflichtungen eines zu Unrecht bevorteilten Unternehmens aufkommen muss, ist auch bereits seit vielen Jahren Gegenstand der zahlreichen Prüfverfahren rund um den „Nürburgring“.

Gegenstand des Beihilfenprüfverfahrens

Bereits im Dezember 2019 leitete die Kommission eine eingehende Prüfung ein, um festzustellen, ob die finanzielle Unterstützung Deutschlands für die WestSpiel mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar ist.

Die Untersuchung der Kommission betraf zwei Maßnahmen der NRW.BANK (damals zu 100 % im Eigentum des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW)) zugunsten der WestSpiel:

  1. einen jährlichen Verlustausgleich in Höhe von rund 63,6 Mio. EUR in den Jahren 2009 bis 2015 und
  2. eine Kapitalzuführung in Höhe von 64,8 Mio. EUR im Jahr 2015.

Die WestSpiel verzeichnete von 2009 bis 2015 Verluste. Am Ende eines jeden Geschäftsjahres wurden die jährlichen Verluste der WestSpiel nach dem deutschen Gesellschaftsrecht der NRW.BANK als alleiniger Gesellschafterin zugewiesen und vom Kapitalanteil der NRW.BANK abgeschrieben.

Da Spielbankenunternehmen nach dem im Recht des Landes NRW verankerten Gewinnabschöpfungsmechanismus verpflichtet sind, 75 % oder mehr ihres ausgewiesenen Jahresüberschusses an NRW abzuführen, wurde im Jahr 2014 ein Abschöpfungsbetrag in Höhe von rund 82 Mio. EUR an NRW ausbezahlt. In der Folge beschloss NRW, der WestSpiel im Jahr 2015 Kapital in Höhe von 64,8 Mio. EUR zuzuführen.

Würdigung durch die Kommission

Die Kommission hat im Rahmen ihrer Prüfung festgestellt, dass der jährliche Verlustausgleich keine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV darstellt.

WestSpiel ist durch den Verlustausgleich kein wirtschaftlicher Vorteil entstanden, weil

  1. der jährliche Verlustausgleich auf einem reinen rechtlichen Automatismus nach deutschem Gesellschaftsrecht beruhte und nur auf den eigenen Kapitalkonten der WestSpiel erfolgte, ohne dass eine Übertragung externer Mittel erforderlich war, und
  2. sich die NRW.BANK bei der Übernahme weiterer Verluste der WestSpiel aus wirtschaftlicher Sicht „vernünftig“ – also wohl wie ein privater Kapitalgeber – verhalten hatte.

Hinsichtlich der Kapitalzuführungen kam die Kommission hingegen zu dem Schluss, dass diese Maßnahmen nicht mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar sind.

Aufgrund der Struktur der NRW.BANK und der Einbindung des Staates in ihren Entscheidungen ist die Maßnahme dem Staat zuzurechnen. Darüber hinaus verschafft die Maßnahme der WestSpiel einen wirtschaftlichen Vorteil, weil ein vergleichbarer privater Kapitalgeber einem Unternehmen in einer anhaltend negativen finanziellen Lage kein zusätzliches Kapital zugeführt hätte.

Staatliche Maßnahmen zugunsten von Unternehmen unterliegen nicht dem Beihilfeverbot des Artikel 107 AEUV, wenn sie zu Bedingungen gewährt werden, die auch ein marktwirtschaftlich handelnder privater Wirtschaftsbeteiligter akzeptiert hätte (Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten). Vergleichsmaßstab für das Handeln des Staates ist demnach ein hypothetischer privater Kapitalgeber: Dieser wird einem Unternehmen in der Regel aber nur Kapital bereitstellen, wenn die berechtigte Erwartung besteht, dass der künftige Cash Flow den eingesetzten Investitionsbetrag übersteigt. Wird dieser Grundsatz nicht beachtet, verschafft der Staat dem begünstigten Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil und verzerrt auf diese Weise den Wettbewerb zulasten der Wettbewerber. In diesem Fall stellt die Kommission einen Verstoß gegen das Beihilfeverbot fest, es sei denn, es liegt einer der Ausnahmegründe nach Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV oder die Voraussetzungen eines Freistellungsakts vor, was hier aber nicht der Fall war.

Nach den EU-Beihilfevorschriften müssen mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen grundsätzlich unverzüglich zurückgefordert werden, um die durch die Beihilfe verursachte Verfälschung des Wettbewerbs zu beseitigen.

Fazit

Spannend bleibt, wie die Europäische Kommission in den offenen Verfahren DB Cargo AG und WestVerkehr entscheiden wird. Eindeutig ist dabei nur, dass sämtliche Transaktionen zwischen der öffentlichen Hand und ihren Unternehmen, insbesondere auch innerhalb öffentlicher Unternehmen, einer strengen beihilfenrechtlichen Würdigung unterzogen werden. Das gilt für sämtliche Kapitalzuführungen, insbesondere auch für Ergebnisabführungsverträge und Verlustausgleichszahlungen in öffentlich beherrschten Konzernen.

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Dr. Jan Deuster

Dr. Jan Deuster

ZUM PROFIL
Dr. Jörg Frederik Ferreau

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