Was plant die neue Koalition im Vergaberecht?

In ihrem am 09.04.2025 veröffentlichten Koalitionsvertrag planen CDU, CSU und SPD auch Änderungen im Bereich des Vergaberechts und für öffentliche Beschaffungen. Das Vergaberecht soll auf nationaler und europäischer Ebene für Lieferungen und Leistungen aller Art für Bund, Länder und Kommunen beschleunigt und digitalisiert werden. Das Vergaberecht soll auf sein Ziel einer wirtschaftlichen, diskriminierungs- und korruptionsfreien Beschaffung zurückgeführt und „sektorale Befreiungsmöglichkeiten vom Vergaberecht insbesondere in Fragen der nationalen Sicherheit und für Leitmärkte für emissionsarme Produkte in der Grundstoffindustrie mit einem Pionierfeld für die Deutsche Bahn“ geschaffen werden.

Im Einzelnen regelt der Koalitionsvertrag insbesondere Folgendes:

  • Verteidigung: Vor dem Hintergrund der geplanten Erhöhung der Verteidigungsausgaben soll ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr vorgelegt werden. Zur Steigerung der jährlichen Investitionen in die militärische Infrastruktur soll u. a. das Vergaberecht sowie die Beschaffung, der Schutz und die Widmung militärischer Flächen durch Verfahrensfreistellungen und durch mehr Eigenvollzugskompetenzen für die Bundeswehr vereinfacht werden („Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz“).
  • Anhebung der Wertgrenzen: Es wird eine Vereinheitlichung der Schwellenwerte öffentlicher Ausschreibungen im nationalen Recht angestrebt; die Schwellenwerte für Direktvergaben (z. B. auf Bundesebene für Liefer- und Dienstleistungen auf 50.000,00 Euro und für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung auf 100.000,00 Euro) und für freihändige Vergaben sollen heraufgesetzt werden. Für eine Erhöhung der Schwellenwerte und eine getrennte Betrachtung der Planungsleitungen will man sich auch auf europäischer Ebene einsetzen. Außerdem soll im Rahmen öffentlicher Vergaben die Tarifbindung gestärkt werden; in diesem Zusammenhang ist die Einführung des Bundestariftreuegesetzes weiterhin vorgesehen.
  • Strategisches Beschaffungsmanagement: Zum öffentlichen Beschaffungswesen wird im Koalitionsvertrag ausgeführt, dass zur Implementierung eines strategischen Beschaffungsmanagements Behörden künftig auf Rahmenverträge anderer öffentlicher Dienststellen und auf zentrale Einkaufsplattformen zurückgreifen dürfen sollen. Zur Stärkung des Digitalstandortes Deutschland und zur Reduzierung von Abhängigkeiten von monopolistischen Anbietern soll der IT-Einkauf des Bundes zentral strategisch gesteuert werden.
  • Rechtsmittel: Aus dem Koalitionsvertrag geht außerdem hervor, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge dadurch beschleunigt werden soll, dass die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vergabekammern zu den Oberlandesgerichten „entfällt“. Der Suspensiveffekt einer sofortigen Beschwerde beträgt bislang zwei Wochen nach Schluss der Beschwerdefrist und kann auf Antrag durch das OLG verlängert werden. Oftmals verlängern die Gerichte bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Mit Blick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes wird man die Beschwerde nicht vollständig abschneiden können; denkbar wäre aber eine Bestimmung, wonach etwa die aufschiebende Wirkung einer sofortigen Beschwerde nur bei ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der Entscheidung der Vergabekammer angeordnet werden soll.

Fazit

In der Sache ist festzustellen, dass mit der entsprechenden Gestaltung eines Vergabeverfahrens die vermeintlichen Beschleunigungsansätze und Effizienzziele in der Beschaffung bereits auf der Basis der aktuellen Rechtslage umgesetzt werden können. Im Übrigen wurde auch in den letzten Legislaturperioden regelmäßig nach mehr Beschleunigung und Bürokratieabbau im Vergaberecht gerufen. Allein an der Umsetzung scheiterte es, jedenfalls bisher.

Daneben werfen andere Maßnahmen zu Erreichung dieser Ziele wiederum große Fragezeichen auf. Es bleibt in der Praxis etwa zu fragen, wie eine Wertgrenze für einen Direktkauf, ausgelegt auf einen konkreten Bietermarkt, angewendet werden soll. Wie wird in diesem Zusammenhang etwa ein Start-up mit innovativen Leistungen definiert? Aus hiesiger Sicht führen solche Vorgaben doch eher zu mehr Bürokratie. Wesentlich mehr Bedenken wirft aber der Ansatz auf, die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vergabekammern zu den Oberlandesgerichten entfallen zu lassen. Aus diesem Umstand begründen sich doch nicht die erheblichen Verzögerungen im vergaberechtlichen Primärrechtsschutz. Kaum eine Vergabekammer schafft es noch innerhalb der gesetzlich vorgegebenen fünf Wochen, über einen Nachprüfungsantrag zu entscheiden – an dieser Stelle wäre ggf. eher Abhilfe zu schaffen. Ohnedies bleibt abzuwarten, ob es mit dem Recht auf effektive Rechtsschutzgewährung aus Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist, auf diese Weise die einzige im Vergaberecht wirkende gerichtliche Instanz in ihrer Wirkung abzuschaffen. Diesbezüglich bestehen zumindest erhebliche Zweifel.

Die Parteien müssen nun jeweils noch über den Koalitionsvertrag abstimmen, mit einem Ergebnis ist Ende April zu rechnen. Welche Gesetzesvorhaben – und in welchem Umfang – dann tatsächlich auf den Weg gebracht werden, bleibt abzuwarten.

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Christine Radeloff

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Sarah Beard

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