Eine bayerische Gemeinde wendet sich gegen die von der Bundesnetzagentur gem. § 16 Abs. 1 NABEG erlassene Veränderungssperre. Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Veränderungssperre nach § 16 Abs. 1 NABEG zu Recht ergangen ist, ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses. Auch rechtliche Änderungen, etwa der Erlass einer Wasserschutzgebietsverordnung, können sonstige erhebliche Veränderungen an einem Grundstück i. S. v. § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NABEG darstellen.
Der Fall
Die Bundesnetzagentur legte mit ihrer Entscheidung vom 18.12.2019 für den Abschnitt C des Vorhabens Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG (Wolmirstedt bis Isar, sogenannter Südostlink) einen raumverträglichen Trassenkorridor i. S. v. § 12 Abs. 2 NABEG für die als Erdkabel zu errichtende Leitung zur Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung fest (Bundesfachplanungsentscheidung).
Der fragliche Trassenkorridor verläuft im Gemeindegebiet der Klägerin. Innerhalb des Trassenkorridors befinden sich zwei Trinkwasserschutzgebiete. Die Klägerin plant, eines dieser Trinkwasserschutzgebiete zu erweitern, sodass diese zukünftig mit ihren Zonen II. und III. die Vorzugstrasse schneiden. Die Vorzugstrasse unterläge insoweit erstmals den Verboten und Beschränkungen des derart erweiterten Schutzgebietes. Am 15.08.2023 erließ die Bundesnetzagentur eine Veränderungssperre nach § 16 Abs. 1 NABEG zur Sicherung des festgelegten Trassenkorridors. Die Bundesnetzagentur begründete den Erlass ihrer Veränderungssperre damit, dass die von der Klägerin beabsichtigte Erweiterung des Wasserschutzgebietes die Trassierung im betreffenden Bereich des Trassenkorridors wesentlich erschweren oder gar unmöglich machen würde.
Die Klägerin wendet sich im Klageverfahren gegen die Veränderungssperre und beantragt deren Aufhebung. Die klagende Gemeinde macht geltend, dass ihre Erweiterungsabsicht, die sich noch in einem frühen Planungsstadium befunden habe, den Erlass der Veränderungssperre nicht begründen würde. Ferner fehle es der Veränderungssperre an einem durchgeführten Variantenvergleich. Die Vorzugstrasse sei nicht planfeststellungsfähig. Im Übrigen überwiege der kommunale Belang der Trinkwasserversorgung das Sicherungsinteresse an der Veränderungssperre.
Die Entscheidung
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 13.03.2024 (Az.: 11 A 12/23) die Klage als unbegründet abgewiesen.
Die Gemeinde sei zwar grundsätzlich klagebefugt, weil sie durch die Veränderungssperre an der sachgerechten Erfüllung der ihr als Teil des kommunalen Selbstverwaltungsrechts nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 83 Abs. 1 Bayerische Verfassung obliegenden Aufgabe der örtlichen Trinkwasserversorgung gem. Art. 57 Abs. 2 Satz 1 Bay GO gehindert sei.
Die Klage sei hingegen unbegründet, weil die Veränderungssperre nicht an einem Rechtsfehler leide. Das Bundesverwaltungsgericht hat zunächst festgestellt, dass es für die Beurteilung, ob eine Veränderungssperre nach § 16 Abs. 1 NABEG zu Recht ergangen ist, maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses ankommt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme es für die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen einer Rechtsgrundlage erfüllt sein müssen, auf das materielle Recht an. Insoweit regele § 16 Abs. 2 NABEG, dass eine auf den Erlass der Veränderungssperre folgende Änderung der Sach- und Rechtslage auf deren Rechtmäßigkeit gerade keinen Einfluss haben solle. § 16 Abs. 2 NABEG sieht der Sache nach eine von Amts wegen zu veranlassende Aufhebung der Veränderungssperre vor, wenn der zu sichernde Trassenkorridor anderweitig verwirklicht worden ist oder endgültig nicht mehr verwirklicht werden wird. § 16 Abs. 2 Satz 2 NABEG sieht die Aufhebung der Veränderungssperre auf Antrag vor, wenn überwiegende Belange von Betroffenen entgegenstehen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil klargestellt, dass die Voraussetzung von § 16 Abs. 1 Satz 1 NABEG hinsichtlich der Feststellung, dass für den Sicherungsgegenstand ein vordringlicher Bedarf im Sinne des Bundesbedarfs vorliegt, keine gesonderte Feststellung erforderlich ist. Das Tatbestandsmerkmal habe nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts mit Blick auf § 2 Abs. 1 NABEG i. V. m. § 1 Abs. 1 BBPlG eine bloß klarstellende Funktion.
Dem Erlass der Veränderungssperre stünde insbesondere nicht entgegen, dass die akzessorische Veränderungssperre nach § 44 Abs. 1 Satz 1 EnWG mit Auslegung der Planunterlagen zum Planfeststellungsverfahren bereits Wirkung entfaltet habe.
Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner geurteilt, dass Erschwernisse i. S. v. § 16 Abs. 1 NABEG nicht nur tatsächliche Hindernisse darstellen, wie die Klägerin meinte, sondern auch rechtliche Hindernisse im Sinne rechtlicher Änderungen meint. Der Wortlaut von § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NABEG sei mit Blick auf die Qualität der Veränderung offen ausgestaltet und nicht auf tatsächliche Veränderungen beschränkt. Der Schutzzweck der Veränderungssperre gebiete eine weite Auslegung des Auffangtatbestandes. Auch der Einwand der Klägerin, dass die Planung zur Erweiterung des Wasserschutzgebietes noch nicht hinreichend konkret sei, wies das Bundesverwaltungsgericht zurück. Demnach reiche es aus, wenn Maßnahmen nicht völlig ausgeschlossen bzw. fernliegend sind. Die geplante Erweiterung des Wasserschutzgebietes schränke jedenfalls die Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke für die Realisierung des Vorhabens ein.
Auch den Einwand der Klägerin, es fehle hinsichtlich der Vorzugstrasse an einem rechtmäßigen Variantenvergleich, wies das Bundesverwaltungsgericht zurück. Die Veränderungssperre greife der späteren Planfeststellungsentscheidung gerade nicht vor. Sinn und Zweck der Veränderungssperre sei es gerade, den Trassenkorridor einer umfassenden Alternativenbetrachtung in späteren Verfahren zuführen zu können. Der Trassenkorridor, der im Rahmen der Bundesfachplanung für Entscheidungen festgelegt worden sei, solle nicht durch nachträgliche Änderungen verengt werden.
Auch den Einwänden der Klägerin, die Belange der Trinkwasserversorgung würden im Ergebnis dem öffentlichen Interesse an der Umsetzung des Vorhabens überwiegen, ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt. Im Ergebnis sah das Bundesverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Trinkwasserversorgung der Gemeinde ernstlich zu besorgen waren.
Fazit
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schärft die Konturen der Veränderungssperre i. S. v. § 16 NABEG und baut verbliebene Unsicherheiten in der Rechtsanwendung ab. Der Bundesnetzagentur steht somit ein geeignetes Instrumentarium zur Sicherung des in der Bundesfachplanung festgelegten Trassenkorridors zur Verfügung. Es ist zu begrüßen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen für den Erlass der Veränderungssperre weit auslegt, um so eine umfassende Sicherung der Bundesfachplanungsentscheidung zu ermöglichen.