OVG NRW: Neuigkeiten zu den Voraussetzungen für die Ausübung des gemeindlichen besonderen Vorkaufsrechts

Das OVG NRW hat mit seiner Entscheidung (OVG NRW, Urteil vom 27.01.2022, 7 A 2644/20) die Rechte der Kommune im Wettlauf mit privaten Investoren um Grundstücke durch eine Klarstellung zu den Voraussetzungen der Ausübung des besonderen Vorkaufsrechts gestärkt.

Hintergrund

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall beschloss eine Stadt für ein Areal im Jahr 2013 einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan, um die städtebaulich unbefriedigende Situation im Stadtteilzentrum in einem Teilbereich neu zu ordnen. Am selben Tage beschloss der Rat der Stadt zur Sicherung der mit der Bebauungsplanung verbundenen städtebaulichen Maßnahmen und einer geordneten städtebaulichen Entwicklung eine Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht für alle im zukünftigen Plangebiet gelegenen bebauten und unbebauten Grundstücke. Bis in das Jahr 2019 wurde eine städtebauliche Entwicklung nicht wesentlich vorangetrieben. Es wurde lediglich ein städtebauliches Entwicklungskonzept im Entwurf erstellt. Als der Eigentümer ein Grundstück innerhalb des Areals im Jahre 2019 verkauft, machte die Stadt im Rahmen der notariellen Abwicklung ihr besonderes Vorkaufsrecht geltend. In der Begründung wurde das Bedürfnis, die baulich unbefriedigende Situation neu zu ordnen, wiederholt. Gegen den Ausübungsbescheid klagte der Käufer u. a. mit der Begründung, die Ausübung des Vorkaufsrechts läge nicht im Interesse der Allgemeinheit. Außerdem zeige die lange städtebauliche Untätigkeit der Beklagten, dass die mit der Vorkaufsrechtssatzung angeblich verfolgten Ziele die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht erfordern.

Die Entscheidung

In dem jetzt ergangenen Urteil befand das OVG NRW den Ausübungsbescheid für rechtmäßig.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts müsse in den Fällen des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB der Verwirklichung der städtebaulichen Ziele der Satzung dienlich sein. Da der Nutzungszweck bei der Ausübung des besonderen Vorkaufsrechts in städtebaulichen Maßnahmengebieten noch nicht feststehen müsse, reiche in einem solchen Fall zur Bejahung des Wohls der Allgemeinheit regelmäßig die Annahme, dass die spätere Entwicklung der in Erwägung gezogenen Maßnahme durch den vermehrten Grundbesitz der Gemeinde erleichtert wird. Die Begründung der Stadt, dass es zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung der Ausübung des besonderen Vorkaufsrechts bedürfe, um die städtebaulich unbefriedigende Situation im Stadtteilzentrum in einem Teilbereich grundlegend neu zu ordnen sowie der Verweis darauf, dass das in Anspruch genommene Grundstück der Umsetzung des aufzustellenden Bebauungsplans und daher dem Flächenzugriff der Stadt als Trägerin der Planungshoheit vorbehalten werden solle, genüge schon für die Bejahung des erforderlichen Allgemeinwohls.

Auch sei die mehrjährige Untätigkeit der Stadt bei der Umsetzung des Aufstellungsbeschlusses unschädlich, weil die 10-Jahres-Frist der Rechtsprechung für den Wegfall der städtebaulichen Erforderlichkeit des Aufstellungsbeschlusses noch nicht verstrichen sei und auch sonst keine Ausschlussgründe i. S. d. § 26 BauGB vorlägen.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung führt zum einen zu einer Stärkung des besonderen Vorkaufsrechts der Kommunen, die damit ein effektives Hilfsmittel für eine städtebauliche Gestaltung erhalten und nicht zu einer genauen Darlegung des Nutzungszweckes des zu erwerbenden Grundstücks gezwungen sind, solange ein ernsthafter städtebaulicher Zweck verfolgt wird. Der private Investor hingegen muss die Vorkaufsrechte an begehrten Grundstücken genau prüfen. Auch eine mehrere Jahre alte Vorkaufssatzung ist aufgrund der hier vorgestellten Entscheidung immer noch beachtlich und indiziert nicht automatisch fehlendes Interesse der Kommunen. Um überflüssige gerichtliche Verfahren zu vermeiden, sollte vorab mit der Kommune in Kontakt getreten werden. So kann das gemeindliche Interesse an der Ausübung des besonderen Vorkaufsrechts vorab festgestellt werden.

Quelle: https://www.juris.de/perma?d=MWRE222025947

 

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Alexander Fritz

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