Nach dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichtes (BayObLG) vom 11.12.2024 (Verg 7/24) ist die Rüge der Vergaberechtswidrigkeit von Zuschlagskriterien auch nach dem Erhalt der Vorabinformation (§ 134 GWB) noch nicht präkludiert. Zuschlagskriterien müssen abstrakt eine Verbindung zum Auftragsgegenstand aufweisen und auch Gegenstände betreffen, die sich in der späteren Auftragsausführung auswirken (§ 127 Abs. 3 GWB).
Der Entscheidung lag die Ausschreibung eines Rahmenvertrages über Catering-Dienstleistungen zugrunde. Laut Leistungsbeschreibung muss der Auftragnehmer wöchentlich Speisepläne an den Auftraggeber übermitteln, wobei die Anforderungen an die Gerichte aufgeführt sind. Zuschlagskriterien waren der Preis und die Qualität zu jeweils 50 %, wobei sich die Qualitätsbewertung aus einem Beispielspeiseplan mit Essensangebot für zwei Wochen ergeben sollte. Als dem unterlegenen Bieter im Rahmen von § 134 GWB mitgeteilt wurde, dass er nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, rügte dieser die Bewertung des Beispielspeiseplans.
Zwar war der Auftraggeber der Meinung, der Bieter sei mit seiner Rüge nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 GWB präkludiert, das BayObLG war jedoch anderer Meinung: Mangels Erkennbarkeit des geltend gemachten Vergaberechtsverstoßes für den Bieter sei die Rüge nicht präkludiert. Maßstab für die Erkennbarkeit sei ein durchschnittlich fachkundiger Bieter; dieser könne mangels gefestigter und allgemein bekannter Rechtsprechung nicht erkennen, dass die Wertung von Beispielspeiseplänen keinen ausreichenden Auftragsbezug aufweise. Dem Bieter sei der Vergabeverstoß auch nicht positiv bekannt gewesen, hieran ändere auch der rechtliche Hinweis einer Vergabekammer an den Bieter (wie hier geschehen) in einem anderen, parallelen Nachprüfungsverfahren nichts. Im Ergebnis hält das BayObLG den Nachprüfungsantrag für begründet; mangels ausreichendem Auftragsbezug sei das Zuschlagskriterium Beispielspeiseplan vergaberechtswidrig. Denn immerhin seien nach der Leistungsbeschreibung wöchentlich Speisepläne zu erstellen, der bewertete Beispielspeiseplan habe für die spätere Vertragsdurchführung somit keine Bedeutung.
Was ist wichtig für die Praxis?
Die Wahl der Zuschlagskriterien steht dem öffentlichen Auftraggeber zwar grundsätzlich frei, jedoch müssen die Zuschlagskriterien nach § 127 Abs. 3 und 4 GWB in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen, die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleisten, eine wirksame Überprüfung möglich machen und so festgelegt werden, dass der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann. Der Auftragsbezug kann stets nur vor dem Hintergrund des konkret ausgeschriebenen Leistungsgegenstandes hergestellt werden; der Auftragsbezug muss über die Zuschlagskriterien hinaus beispielsweise auch bei den Eignungskriterien oder den Ausführungsbedingungen beachtet werden. Für unterlegene Bieter zeigt sich durch diese Entscheidung die Möglichkeit eines späten Angriffs der Zuschlagskriterien.
