Entscheidung des Monats | Enge(re) Grenzen für die Gesamtvergabe von Bauleistungen

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 21.08.2024 (Verg 6/24) die Grenzen einer Gesamtvergabe von Bauleistungen enger aufgezogen und dabei klargestellt: Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen ist eine Gesamtvergabe zulässig.

Der Entscheidung lag eine europaweite Ausschreibung über die Erneuerung eines hochfrequentierten Autobahnabschnittes (A60 zwischen Rüsselsheimer Dreieck und Mainspitzdreieck) zugrunde; das Bauprojekt sollte als Gesamtvergabe durchgeführt werden. Dabei wurde die Aufteilung der Vergabe in mehrere Fachlose unter Verweis auf die verkürzte Bauzeit, die angestrebte Wirtschaftlichkeit der Beschaffung und die Verringerung von Umweltbelastungen und Sicherheitsrisiken ausgeschlossen. Da sich ein Unternehmen jedoch für eine einzelne Leistung interessierte, rügte es die Entscheidung zur Gesamtvergabe und zog vor die Vergabekammer, die zugunsten des Auftraggebers entschied und den Nachprüfungsantrag zurückwies – das OLG Düsseldorf hob diese Entscheidung allerdings wieder auf.

Das OLG Düsseldorf entschied: Die Gesamtvergabe war rechtswidrig, denn die vorgebrachten Gründe rechtfertigten nicht den Verzicht auf die Fachlosbildung. Nach § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB dürfen mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Unter technischen Gründen seien nur solche zu verstehen, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machten. In diesem Fall habe bei getrennten Ausschreibungen nicht das Risiko bestanden, dass die Teilleistungen ungeeignet seien, den Beschaffungsbedarf in der angestrebten Qualität zu befriedigen; solche technischen Gründe seien dem Vermerk der Auftraggeberin nicht zu entnehmen. Wirtschaftliche Gründe lägen dann vor, wenn eine Aufteilung in Lose mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen für den Auftraggeber verbunden sei, die über das übliche in Kauf zu nehmende Maß hinausgehen. Nicht ausreichend für die Rechtfertigung einer Gesamtvergabe sei der mit einer Losvergabe allgemein verbundene Ausschreibungs-, Koordinierungs- und Prüfungsmehraufwand, denn dieser sei nach dem Gesetzeszweck in Kauf zu nehmen. Die mit einer Gesamtvergabe zu erzielende Bauzeitverkürzung sei als solche noch kein wirtschaftlicher Grund. Erforderlich sei vielmehr die kausale Verbindung der Zeitersparnis mit den wirtschaftlichen Vorteilen für den öffentlichen Auftraggeber.

Mit den Argumenten gegen eine Fachlosvergabe müsse sich der Auftraggeber in einer umfassenden Abwägung auseinandersetzen – im Ergebnis müssten die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen. Hierbei stehe dem Auftraggeber zwar ein Beurteilungsspielraum zur Verfügung, in Ermangelung hinreichender wirtschaftlicher oder technischen Gründe sei die Gesamtvergabe im vorliegenden Fall unzulässig gewesen.

Was ist wichtig für die Praxis?

Das OLG Düsseldorf legt einen strengen Maßstab an eine Gesamtvergabe an. Die Entscheidung stellt klar, dass eine Gesamtvergabe nur in wenigen Ausnahmefällen zulässig ist und eine Abweichung von dem Prinzip der Fachlosbildung präzise begründet und dokumentiert werden muss. In einem Vermerk zur Begründung einer Gesamtvergabe sollten daher – anders als bislang oft praktiziert – auch die Gesichtspunkte aufgeführt werden, die für eine Fachlosvergabe sprechen. Denn nur so ist eine Abwägung möglich, ob die Gründe für eine Gesamtvergabe die Einschränkungen des Wettbewerbs überwiegen. Zwar besteht vor dem Hintergrund des Entwurfes des Vergabetransformationsgesetzes (Entwurf von 11/2024) auch die Möglichkeit der Flexibilisierung des § 97 Abs. 4 GWB im Raum, denn das deutsche Recht ist insoweit bislang strenger als die europäischen Vergaberichtlinien dies verlangen. Aufgrund der neuen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ist eine Gesetzesänderung aber noch ungewiss.

Zurück
Andreas Haupt

Andreas Haupt

ZUM PROFIL
Sarah Beard

Sarah Beard

ZUM PROFIL