Einzelfallabwägung im Konflikt Denkmalschutz vs. Solarenergieausbau

Mit Beschluss (Az. 1 ME 15/23) vom 08.06.2023 hat das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen entschieden, dass für die Errichtung einer Photovoltaikanlage auf einem denkmalgeschützten Gebäude eine Abwägung der Interessen des Einzelfalls geboten sein kann.

DER FALL

Der Eigentümer eines denkmalgeschützten Gebäudes im Bereich der als UNESCO-Weltkulturerbe besonders geschützten Altstadt Goslar hatte auf einem Großteil der straßenabgewandten Seite des Hausdaches eine mehrfarbige PV-Anlage ohne die erforderliche denkmalrechtliche Genehmigung errichtet. Die Stadt Goslar erließ daraufhin eine denkmalrechtliche Beseitigungs- und Wiederherstellungsanordnung, welche den Hauseigentümer zum rückstandslosen Abbau der PV-Anlage verpflichtete.

Gegen diese Anordnung wendete sich der Hauseigentümer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig. Dieses gab dem Antrag des Hauseigentümers mit der Begründung statt, dass die PV-Anlage nach dem Niedersächsischen Denkmalschutzgesetz (NDSchG) offensichtlich genehmigungsfähig sei (VG Braunschweig, Beschluss vom 27.01.2023 – 2 B 290/22).

DIE ENTSCHEIDUNG

Das für die hiergegen gerichtete Beschwerde der Stadt Goslar zuständige OVG Niedersachsen war hingegen anderer Meinung und verneinte eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der PV-Anlage. Zwar sei bei Baudenkmälern nach § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, S. 2 NDSchG die Genehmigung für die Errichtung von Anlagen zur Nutzung von erneuerbarer Energien in der Regel aufgrund überwiegenden öffentlichen Interesses zu erteilen, dem Regelfall stehe vorliegend jedoch der besondere denkmalrechtliche Wert des Gebäudes als Teil der geschützten Altstadt Goslars (UNESCO-Weltkulturerbe) entgegen. Hinsichtlich der Frage der Erteilung der Genehmigung der Anlage (das „Ob“) sei eine Abwägung zwischen dem öffentlichen und privaten Interesse an deren Errichtung und dem Interesse an der unveränderten Erhaltung des Kulturdenkmals durchzuführen, in die das gesetzgeberische Ziel des Klimaschutzes mit erheblichem Gewicht einzufließen habe.

Bei der Gestaltung der Genehmigung (das „Wie“) bleibt es hingegen dabei, dass die Genehmigung zur Einhaltung des Denkmalschutzgesetzes unter Bedingungen oder mit Auflagen erteilt werden kann. Die zur Genehmigung gestellte Anlage hat dem Denkmalschutz soweit wie möglich Rechnung zu tragen. Insoweit maßgebliche Kriterien sind die Größe, Position und optische Ausgestaltung der Anlage. Da nach Ansicht des OVG die Genehmigungsfähigkeit der PV-Anlage im vorliegenden Fall weder nach dem „Ob“ noch dem „Wie“ auf der Hand lag, wurde der Beschluss des VG Braunschweig in die Ablehnung des Antrags des Hauseigentümers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geändert. Dieser bleibt damit zum Rückbau der Anlage verpflichtet.

PRAXISHINWEIS

Der Beschluss des OVG zeigt, dass trotz des gesetzgeberischen Ziels des Klimaschutzes und dementsprechender gesetzgeberischer Vereinfachungen zum Ausbau erneuerbarer Energien eine Abwägung der Interessen des Einzelfalls für die Errichtung von PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden unerlässlich sein kann. Auch Denkmalbehörden in NRW müssen seit der Novelle des Landesdenkmalschutzgesetzes NRW im Jahr 2022 die Belange des Klimas und des Einsatzes erneuerbarer Energien angemessen berücksichtigen (§ 9 Abs. 3 DSchG NRW). Ergänzend dazu gilt der Erlass „Entscheidungsleitlinien für Solaranlagen auf Denkmälern“ des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 08.11.2022, der u. a. auch Grundlagen für Einzelfallentscheidungen umfasst.

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Teresa Beierle

Teresa Beierle

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