Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur: Planfeststellung einer LNG-Anbindungsleitung

Mit Urteil vom 22.06.2023 (Az. 7 A 9.22) hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit grundlegenden Rechtsfragen des noch jungen LNG-Beschleunigungsgesetzes auseinandergesetzt und damit einen Grundstein für zahlreiche folgende Entscheidungen gelegt, die sich um den vorangetriebenen Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur drehen.

Der Fall

Gegenstand des Verfahrens ist ein Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb einer 26 km langen LNG-Anbindungsleitung von Wilhelmshaven nach Etzel. Die Klägerin, eine anerkannte Umweltvereinigung, begehrt eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Regelung zum künftigen Betrieb der Leitung ausschließlich mit sogenannten grünen Wasserstoff oder Derivaten. Sie wendet insbesondere ein, die Planfeststellungsbehörde habe die gebotene Ermittlung der klimarelevanten Auswirkungen des Vorhabens durch den Betrieb mit fossilem Gas unterlassen.

Die Entscheidung

Das BVerwG hat die Klage mangels Verstößen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften als unbegründet abgewiesen.

Das Gericht nimmt im Rahmen der Prüfung der Klagebefugnis gem. § 2 Abs. 1 UmwRG zunächst Stellung zu § 4 Abs. 1 LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG). Es sei weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) noch eine UVP-Vorprüfung durchzuführen gewesen. Eine durch deren Wegfall beschleunigte Zulassung des Vorhabens müsse geeignet sein, einen relevanten Beitrag zur Bewältigung oder Abwendung einer Krise der Gasversorgung zu leisten. Davon sei regelmäßig auszugehen, wenn über die konkrete Anlage mehr als nur geringfügig LNG eingespeist werden kann und soll und eine Gasmangellage vorliegt oder droht. Die Gaswarnstufe nach dem Notfallplan Gas gelte insoweit als gewichtiges Indiz. Die streitgegenständliche Gasleitung leiste einen relevanten Beitrag zur Abwendung einer Gasversorgungskrise. In diesem Atemzug hat das Bundesverwaltungsgericht die Unionsrechtskonformität des § 4 Abs. 1 LNGG bestätigt, die mit der im Gesetz verankerten Einzelfallprüfung der Relevanz für die Gasversorgung begründet wird.

Im Rahmen der Begründetheitsprüfung stellt das BVerwG dann fest, dass einer Planergänzung hinsichtlich grünen Wasserstoffs die Vorschriften des LNGG entgegenstünden. Danach ist der Betrieb von LNG-Terminals mit verflüssigtem Erdgas bis zum 31.12.2043 zulässig (vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2 LNGG). Das fachplanerische Abwägungsgebot eröffne selbst in Verbindung mit dem klimaschutzrechtlichen Berücksichtigungsgebot gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG keinen Entscheidungsspielraum hinsichtlich einer Verkürzung der Frist. Mit den Regelungen im LNGG wolle der Gesetzgeber rechtlich absichern, dass die LNG-Terminals und die LNG-Anbindungsleitungen bereits „wasserstoff-ready“ geplant werden, um in Einklang mit dem Klimaschutzzielen des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) und Vorgaben des Klimabeschlusses des BVerfG eine möglichst frühzeitige Umstellung auf grünen Wasserstoff zu ermöglichen.

Des Weiteren erklärt das Gericht, dass im Rahmen der Abwägung ausschließlich die unmittelbaren Auswirkungen des Vorhabens zu untersuchen seien. Das setze voraus, dass die jeweiligen Auswirkungen dem Vorhaben bei wertender Betrachtung zuzurechnen sind, weil sich in ihnen ein vorhabenspezifisches Risiko realisiert. Es müsse einen eindeutigen Ursachenzusammenhang geben. Die bestimmungsgemäße Nutzung der Anbindungsleitung erschöpfe sich im Gastransport. Der spätere Verbrauch des Gases finde an anderer Stelle statt und unterliege eigenen Regelungen, die gerade auch dem Ziel einer Reduktion damit verbundener Treibhausgasemissionen dienen. An dem Vorhabenbezug der Abwägung ändere auch nichts, dass die Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG die Ziele des KSG zu berücksichtigen haben. Die Norm begründe selbst keine neue Bewertungsgrundlage. Wegen des Vorhabenbezugs der Abwägung sei das Berücksichtigungsgebot auf Klima-Auswirkungen beschränkt, die dem Vorhaben zurechenbar seien, und nicht auf Klimafolgen des Verbrauchs.

Folgen für die Praxis

Das Urteil steht am Anfang einer Reihe von Urteilen und Beschlüssen rund um LNG-Terminals und -Anbindungsleitungen (vgl. etwa hinsichtlich des OAL: BVerwG Urt. v. 25.04.2024 – 7 A 9.23/ 7 A 11.23). Das BVerwG trifft grundlegende Aussagen zum LNGG, fachplanerischen Abwägungsgebot und zum klimaschutzrechtlichen Berücksichtigungsgebot. CO2-Emissionen aus dem späteren Verbrauch fossiler Energien sind dem Infrastrukturvorhaben selbst nicht zuzuordnen. Zudem wird ersichtlich, dass das nationale Konzept zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 und damit verbundene politische Entscheidungen nicht durch die Exekutive modifiziert werden sollen. Ein weitgehender Handlungs- und Entscheidungsspielraum würde eine gewisse Planungssicherheit gefährden. Zur Erreichung der Klimaneutralität 2045 und Gewährleistung einer unabhängigen, verlässlichen Energieversorgung angesichts energie- und sicherheitspolitischer Herausforderungen wird der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur forciert. Laut Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) des Bundeskabinetts spielt Wasserstoff eine wesentliche Rolle bei der Dekarbonisierung der (Energie-)Wirtschaft. Zur Schaffung eines Wasserstoff-Kernnetzes setzt der Gesetzgeber zahlreiche Hebel in Bewegung. Das LNGG hat insoweit bereits einen Beitrag zur Beschleunigung geleistet. Am 29.05.2024 hat das Bundeskabinett darüber hinaus einen Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Verfügbarkeit von Wasserstoff und zur Änderung der Rahmenbedingungen für den Wasserstoffhochlauf sowie weiterer energierechtlicher Vorschriften vorgelegt (BR-Drs. 265/24). Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber tatsächlich einen effektiven, kohärenten und transparenten Regelungsrahmen schaffen wird.

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Pauline Zittel, LL.M.

Pauline Zittel, LL.M.

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