Public Value-Medienangebote müssen auf Medienplattformen leicht auffindbar sein. Entsprechend begehrt ist die Klassifizierung als „Public Value“. Die Medienanstalten haben nun, drei Jahre nach dem ersten Verfahren, das zweite Bestimmungsverfahren abgeschlossen.
Hintergrund
In analogen Zeiten waren Kabelnetzbetreiber und vergleichbare Torwächter verpflichtet, Programme mit gesellschaftlichem Mehrwert in ihr Angebot aufzunehmen. Dieser „Must carry“-Regulierungsansatz wird im digitalen Zeitalter durch den „Must be found“-Ansatz ersetzt: Denn jetzt ist nicht mehr Übertragungskapazität, sondern Auffindbarkeit in den Weiten der Plattformen das knappe Gut.
Der EU-Gesetzgeber hat in Art. 7a AVMD-RL den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, „Maßnahmen zu ergreifen, um eine angemessene Herausstellung audiovisueller Mediendienste von allgemeinem Interesse sicherzustellen“. Von dieser Möglichkeit macht der deutsche Mediengesetzgeber in § 84 MStV Gebrauch: Gemäß Abs. 4 müssen auf Benutzeroberflächen öffentlich-rechtliche Angebote sowie private Angebote, „die in besonderem Maß einen Beitrag zur Meinungs- und Angebotsvielfalt im Bundesgebiet leisten“, leicht auffindbar sein. Wer einen solchen Beitrag leistet, bestimmten gem. § 84 Abs. 5 MStV die Landesmedienanstalten für einen Zeitraum von drei Jahre. Der Gesetzgeber führt eine Reihe von Qualitätskriterien zur Bestimmung des „Public Value“-Charakters auf, etwa den zeitlichen Anteil nachrichtlicher und politischer Berichterstattung oder den Anteil an regionalen und lokalen Informationen. Die Medienanstalten konkretisieren die Kriterien und das Bestimmungsverfahren in ihrer Public Value-Satzung.
Mehr Public Value-Angebote als vor drei Jahren
Erstmals durchgeführt wurde das Verfahren 2021/2022. Damals wurden 325 Anträge auf Anerkennung als Public Value-Angebot gestellt, davon erhielten 271 den begehrten Status, die in einer Gesamtliste veröffentlicht wurden. Die Anerkennungsquote lag demnach bei rd. 84 Prozent. Das rief schon vor Jahren Kritiker auf den Plan: „Durch die schiere Anzahl wird das Privileg leichter Auffindbarkeit entwertet“ (Ferreau, Archiv für Presserecht 2023, S. 193, 194). Das gilt vor allem im Bereich der bundesweiten Angebote, während im lokalen und regionalen Bereich immerhin die Privilegierung je nach Region variiert.
Wer deshalb nun im zweiten Verfahren eine Reduzierung der Anzahl erwartet hatte, wurde von den Medienanstalten überrascht. Wie die Medienanstalten in einer Pressemitteilung am 04.06.2025 mitteilten, dürfen sich 73 bundesweite und 247 lokale/regionale Angebote ab sofort mit dem Label „Public Value“ schmücken. Damit war der Großteil aller Anträge – nämlich 320 von 348 – erfolgreich, die Anerkennungsquote stieg auf über 91 Prozent. Welche Angebote im Einzelnen den Public Value-Status erhalten haben, ist noch nicht bekannt. Die Medienanstalten werden dazu „voraussichtlich im Herbst 2025“ eine Liste veröffentlichen.
Erste Rechtsprechung und offene Rechtsfragen
Dass ein vergleichsweise junger und komplexer Regulierungsansatz Rechtsunsicherheit mit sich bringt, kann nicht verwundern. Beim Public Value-Ansatz ziehen sich die Rechtsfragen allerdings durch alle Verfahrensschritte: Welche Plattformen unterliegen überhaupt der Vorgabe des § 84 Abs. 4 MStV? Wie haben sie „leichte Auffindbarkeit“ sicherzustellen? Und schließlich: Ist das Bestimmungsverfahren der Medienanstalten rechtsfehlerfrei?
Was die adressierten Plattformen betrifft, so gehen die Medienanstalten davon aus, dass beispielsweise auch Automobilhersteller mit ihren In-Car-Entertainment-Systemen Benutzeroberflächen sind. Die Automobilhersteller bezweifeln diese Rechtsauffassung und halten sich die Beschreitung des Rechtswegs offen.
Gerichtsentscheidungen gab es – wenig überraschend – auch bereits zur Überprüfung des ersten Bestimmungsverfahrens. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hob Ende Oktober 2024 in mehreren Verfahren entweder die ablehnenden Bescheide auf (Az. 27 K 4926/22) oder verurteilte die zuständige Landesmedienanstalt zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (Az. 27 K 4656/22). Das Gericht entschied zwar, dass § 84 Abs. 4 MStV sowie die Ermächtigung der Medienanstalten zu dessen Konkretisierung verfassungskonform ist. Auch stand es der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) einen gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraum bei der Qualitätsbewertung zu. Allerdings wurden die Bescheide für rechtswidrig erachtet, weil sie nicht ausreichend begründet seien und die ZAK ihre Bewertungskriterien fehlerhaft – unter anderem unvollständig – angewandt habe.
Es bleibt abzuwarten, ob auch das zweite Public Value-Verfahren von den Verwaltungsgerichten überprüft wird. Der Kreis der potenziellen Kläger ist jedenfalls kleiner geworden.