Zur Löschung einer Gesellschaft im ausländischen Register

Mit Beschluss vom 22.11.2016 hat der BGH entschieden, dass eine Gesellschaft ausländischen Rechts, die im Register ihres Heimatstaates gelöscht wurde, in Deutschland fortbesteht, sofern sie Vermögen in Deutschland hat. Ist die Gesellschaft hier noch werbend tätig, kann den Gesellschaftern zudem eine persönliche Haftung drohen (BGH, Beschluss vom 22.11.2016, Az. II ZB 19/15).

Hintergrund

Die Antragsteller sind Eigentümer von mehreren Grundstücken in Mettmann. Auf diesen Grundstücken lastet eine Buchgrundschuld zugunsten der Betroffenen, einer Limited mit Sitz in Nassau/Bahamas, in Höhe von 3 Millionen DM. Die Antragsteller beabsichtigten, die Grundstücke zu veräußern, was aber wegen der noch für die Betroffene eingetragenen Grundschuld, die in Vergessenheit geraten sei, unmöglich sei. Die betroffene Gesellschaft sei ferner bereits am 31. August 2002 in den Registern der Bahamas wegen nicht gezahlter Registergebühren gelöscht worden.

Da die Betroffene nach Löschung in den Registern der Bahamas nicht mehr existiere, sei zur Erteilung der Löschungsbewilligung die Anordnung einer Pflegschaft gemäß § 1913 BGB für die Betroffene notwendig.

Das AG Mettmann hat die Anordnung abgelehnt. Die von den Beteiligten eingelegte Beschwerde hat das LG Wuppertal wegen fehlender Beschwerdeberechtigung verworfen. Dagegen wenden sich die Beteiligten mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Die Entscheidung

Nach Auffassung des BGH hatte das LG im Ergebnis Recht: Die Antragsteller seien nicht beschwert, denn die Anordnung einer Pflegschaft käme nach § 1913 BGB käme nur in Betracht, wenn der rechtliche Träger des Vermögens als solcher unbekannt ist. Vorliegend sei der rechtliche Träger des Vermögens als solcher aber bekannt gewesen. Fraglich sei insoweit allein, durch wen dieser Träger vertreten wird.

Dabei könne es letztlich sogar dahinstehen, nach welchem Recht die Frage der Existenz der betroffenen Gesellschaft zu beurteilen sei. Wenn die Betroffene bei Anwendbarkeit des Rechts der Bahamas infolge der Löschung ihre Rechtsfähigkeit verloren hat und damit erloschen war, gilt sie nämlich für ihr in Deutschland belegenes Vermögen als fortbestehend. Wenn auf sie dagegen deutsches Recht anwendbar gewesen sein sollte, hätte die von den Beteiligten behauptete Löschung der Betroffenen in den Registern des Staates der Bahamas ebenfalls keine Auswirkung auf ihre Rechtsfähigkeit und ihren Fortbestand.

Soweit daher bzgl. der – in jedem Fall – noch existierenden Gesellschaft „noch etwas zu tun“ sein sollte, sei entsprechend § 273 Absatz 4 Satz 1 AktG ein Nachtragsliquidator zu bestellen.

Gesellschafter in Deutschland aktiver englischer Gesellschaften aufgepasst

Der BGH hat sodann im Wege eines obiter dictum noch weitere Ausführungen gemacht, die aufgrund des BREXIT auch für Gesellschaften englischer Rechtsform mit Verwaltungssitz in Deutschland Bedeutung haben.

Insbesondere stellt der BGH nochmals klar, dass sich bei einer Gesellschaft, die in einem Drittstaat gegründet wurde, der weder der Europäischen Union oder dem Euro-päischen Wirtschaftsraum angehört noch aufgrund von Verträgen hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit gleichgestellt ist, das Gesellschaftsstatut (allein) nach den allgemeinen Regeln des deutschen internationalen Privatrechts beurteilt, denen zufolge für die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft das Recht des Staates maßgeblich ist, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. Der BGH erteilt damit der sogenannten Gründungstheorie – für Fälle ohne EU-Bezug – abermals eine Absage zugunsten der seit jeher in Deutschland herkömmlich vertretenen Sitztheorie.

Das gilt namentlich auch für Gesellschaften englischer Rechtsform nach dem BREXIT, sofern in den nun anstehenden Verhandlungen keine anderweitigen Vereinbarungen hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit solcher Gesellschaften getroffen werden!

In der Konsequenz bedeutet das, dass sich die betreffende Gesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland „wie eine deutsche Gesellschaft“ behandeln lassen muss. In den Worten des BGH:

Um als Gesellschaft mit beschränkter Haftung rechtsfähig zu sein, hätte die Betroffene im deutschen Handelsregister eingetragen sein müssen (Nachweise). Je nach Ausgestaltung der gesellschaftlichen Organisationsverhältnisse kann eine in einem Drittstaat gegründete Gesellschaft mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland auch ohne Eintragung im deutschen Handelsregister als rechtsfähige Personengesellschaft, im Fall des Betriebs eines Handelsgewerbes typischerweise als offene Handelsgesellschaft, oder ohne einen solchen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zu behandeln sein.

Im Ergebnis droht den Gesellschaftern einer solchen Gesellschaft daher eine unbeschränkte persönliche Haftung mit ihrem gesamten Privatvermögen für sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft, ganz unabhängig davon, dass die Haftung nach dem Recht des Gründungsstaates der Gesellschaft womöglich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt war.

Folgen für die Praxis

Der BGH stellt mit seiner Entscheidung klar, dass eine Löschung einer Gesellschaft im Gründungsstaat nicht zum Wegfall des Rechtsträgers führen kann, wenn dieser Rechtsträger in Deutschland noch über Vermögen verfügt. Dies ist sachgerecht und verdient uneingeschränkte Zustimmung. Betroffene Gläubiger sollten daher die Einsetzung eines Nachtragsliquidators anstreben, der die noch vorzunehmenden Abwicklungsmaßnahmen vornehmen kann.

Ist die betroffene Gesellschaft allerdings noch werbend tätig, kann je nach Verwaltungssitz sogar deutsches Recht zur Anwendung kommen. Im Zweifel ist die Gesellschaft als Personengesellschaft deutschen Rechts einzustufen.

Insbesondere die Ausführungen des BGH zu dieser Thematik sind auch vor dem Hintergrund der BREXIT-Thematik von Bedeutung: Kommen die EU und Großbritannien nicht zu einer Vereinbarung hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit, sind mit Wirksamkeit des BREXIT Gesellschaften englischer Rechtsform in Deutschland allein nach deutschem Recht zu beurteilen: Maßgebend ist dann das Recht des Staates, in dem der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft liegt, ganz unabhängig vom Staat der Gründung. Wir haben dies bereits hier erläutert. Soweit der tatsächliche Verwaltungssitz in Deutschland liegt, droht Gesellschaftern englischer Gesellschaften dann eine persönliche Haftung!