Nach dem Brexit ist vor dem Brexit, oder: Was Gesellschafter von Gesellschaften englischer Rechtsform beachten sollten…

Am 23.06.2016 hat Großbritannien mehrheitlich dafür gestimmt, die Europäische Union zu verlassen. Wie genau dieser sog. Brexit vonstattengehen soll und welche rechtlichen Rahmenbedingungen nach erfolgtem Austritt gelten, weiß derzeit noch niemand. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht müssen jedoch insbesondere die Gesellschafter von Gesellschaften englischer Rechtsform die Entwicklungen beobachten - anderenfalls droht im Worst Case eine persönliche Haftung!

Hintergrund

Eine der großen Vorteile der Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist die sog. Niederlassungsfreiheit. Bestandteil der Niederlassungsfreiheit ist die Freiheit von Bürgern und Unternehmen, sich an jedem Ort der Europäischen Union niederlassen zu können, ohne alleine aus dem Grund ihrer anderen „Nationalität“ schlechter behandelt werden zu dürfen, als „Inländer“.

Namentlich können englische Gesellschaften sich ohne weiteres in Deutschland niederlassen und „als solche“ hier am Rechtsverkehr teilnehmen. Sie müssen von der hiesigen Rechtsordnung als Gesellschaften des englischen Rechts anerkannt und als solche behandelt werden. Dies ist keine Selbstverständlichkeit. So vertritt der Bundesgerichtshof für Gesellschaften, die nicht aus einem EU-Mitgliedsstaat kommen, nach wie vor die sog. Sitztheorie. Nach dieser untersteht eine Gesellschaft immer dem Recht des Staates, in welchem sie tatsächlich ansässig ist. Für Gesellschaften aus der Schweiz beispielsweise bedeutet dies, dass sie, soweit sie tatsächlich in Deutschland ansässig sind, nicht als Schweizer Gesellschaft am Rechtsverkehr teilnehmen können. Stattdessen unterwirft sie das deutsche Recht dem hiesigen Kanon der gesellschaftsrechtlichen Rechtsformen. Im Zweifel bedeutet dies regelmäßig eine Einstufung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder offene Handelsgesellschaft, je nachdem, ob ein gewerblicher oder nicht gewerblicher Zweck verfolgt wird.

Für die Gründer der Gesellschaft kann dies die äußerst unangenehme Konsequenz haben, dass sie nach dem Gründungsrecht der Gesellschaft womöglich eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet haben, auf Grund der Anwendung der Sitztheorie in Deutschland gleichwohl wie ein Gesellschafter einer Personengesellschaft behandelt werden und deshalb persönlich für sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften zu müssen.

Mögliche Konsequenzen für Gesellschaften englischer Rechtsform, die ihrer Tätigkeit in Deutschland nachgehen

Für die sich vor geraumer Zeit hoher Beliebtheit erfreut habenden Gesellschaften mit englischer Rechtsform, die in Deutschland ihrer (weit überwiegenden) Geschäftstätigkeit nachgehen, spielte die Sitztheorie bisher keine Rolle, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) für den Bereich der EU verbindlich geurteilt hat, dass innerhalb der EU aufgrund der Niederlassungsfreiheit allein das Gründungsrecht einer Gesellschaft maßgeblich sein darf. Sollte auf Grund der Brexit-Entscheidung Großbritanniens jedoch das Land tatsächlich aus der EU ausscheiden und keine Fortgeltung der entsprechenden Rechtsgrundsätze vereinbart werden, steht einer Anwendung der Sitztheorie auf diese Gesellschaften jedenfalls aus rechtlicher Sicht nichts entgegen – namentlich ist das deutsche Recht dann nicht an die Rechtsprechung des EuGH gebunden. Gesellschafter von überwiegend in Deutschland aktiven „Limiteds“ etc. sollten daher die weitere Entwicklung genau beobachten, um nicht eines Tages als persönlich haftender Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts „aufzuwachen“.

Sollte sich ein solches Szenario abzeichnen, gilt es stattdessen, rechtzeitig Rechtsrat einzuholen, um die Gesellschaft in eine Rechtsform nationalen Rechts zu überführen. Hier sind vielerlei Gestaltungsmöglichkeiten denkbar. Durch rechtzeitige Vorsorge kann also dem „Damoklesschwert“ der persönlichen Haftung entgangen werden!