Rechtsprechung mit Signalwirkung: BGH legt Frage zur Geschäftsführerhaftung bei Kartellbußgeldern dem EuGH vor

Unternehmen können sich Kartellbußen zukünftig bei ihren Geschäftsführern und Vorständen „wiederholen“ – oder doch nicht? Der EuGH soll Klarheit schaffen (BGH, PM 31/2025 vom 11. Februar 2025, Az. KZR 74/23):

Der Fall

Ein Unternehmen aus der Edelstahlindustrie wurde vom Bundeskartellamt mit einem Bußgeld in Höhe von 4,1 Mio. Euro belegt, weil sich sein ehemaliger Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender an einem Preiskartell beteiligt hatte. Der Manager selbst erhielt ein Bußgeld von 126.000,00 €.

Das Unternehmen verlangte daraufhin vom Ex-Geschäftsführer die Erstattung des gegen die Gesellschaft verhängten Bußgelds sowie Ersatz für IT- und Anwaltskosten in Höhe von 1 Mio. Euro. Die Vorinstanzen lehnten dies ab – im Wesentlichen mit der Überlegung, dass die Möglichkeit einer Regressnahme den Zweck der Kartellbußen unterlaufen würde.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute in einem nicht nur von der Kartellrechts-Community mit Spannung erwarteten Beschluss entschieden, die Frage der Regressmöglichkeit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorzulegen. Für den BGH zentral ist, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der Unternehmen ihre Organmitglieder für gegen das Unternehmen verhängte Kartellbußgelder in Anspruch nehmen können.

Aus Sicht des BGH gibt es einen Spannungsbereich zwischen dem (nationalen) Gesellschaftsrecht und EU-Wettbewerbsrecht:

  • Grundsätzlich haften Organmitglieder nach § 43 Abs. 2 GmbHG und § 93 Abs. 2 AktG für Pflichtverletzungen.
  • Die Beteiligung an einem Preiskartell ist unzweifelhaft eine vorsätzliche Pflichtverletzung.
  • Allerdings könnte der Regress den Strafzweck der Unternehmensbuße untergraben. Kartellbußen sollen das Unternehmen selbst treffen und abschreckend wirken. Wie der BGH zutreffend anmerkt, hat der EuGH bereits entschieden, dass eine Möglichkeit der steuerlichen Geltendmachung von Kartellbußen der „Effektivität“ bzw. Wirksamkeit entgegenstehen kann. Das könnte in gleicher Weise anzunehmen sein, wenn das Unternehmen die gegen das Unternehmen verhängte Buße „abwälzen“ kann.

Der EuGH muss nun entscheiden, ob eine Regressmöglichkeit die Wirksamkeit von Kartellbußen im Sinne von Art. 101 AEUV beeinträchtigen würde.

Folgen für die Praxis

1.  Einmal mehr: Die Bedeutung einer vernünftigen Kartellrechts-Compliance kann nicht unterschätzt werden!

Unternehmen müssen eine ordentliche interne Kartellrechts-Compliance installiert haben und weiter verschärfen. Falls der EuGH einen Regress nicht verneint, dürften andernfalls die persönlichen Risiken für Unternehmensorgane erheblich steigen.

2. Mögliche Veränderung in D&O-Versicherungen

Sollte der Regress gegen Organmitglieder möglich sein, wird dies zu höheren Versicherungskosten oder geänderten Policen mit entsprechenden Haftungsausschlüssen.

3.  Signalwirkung für andere EU-Staaten

Die EuGH-Entscheidung wird grenzübergreifende Auswirkungen auf das Kartellrecht und die Haftung von Unternehmensleitern haben.

Das Urteil des EuGH bleibt abzuwarten. Fest steht: Die Entscheidung dürfte eine grundsätzliche und europaweite Weichenstellung für die Managerhaftung im Kartellrecht bedeuten. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 31/2025 vom 11.02.2025

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Dr. Christoph Naendrup, LL.M.

Dr. Christoph Naendrup, LL.M.

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