BGH: Schadenspauschalierungen in AGB für Schäden durch Kartellabsprachen sind schon okay!

Der BGH hat mit Urteil vom 10. Februar 2021, dessen schriftliche Begründung nunmehr vorliegt, eine für die Praxis der Vertragsgestaltung eminent wichtige Frage zur Schadenspauschalierung für etwaige kartellbedingte Schäden höchstrichterlich geklärt (BGH, Urteil vom 10.02.2021, KZR 63/18). Eine Klausel, wonach im Falle einer Beteiligung des Vertragspartners an einer wettbewerbswidrigen Absprache Schadenersatz in Höhe von bis zu 15 % der Abrechnungssumme geschuldet wird, ist demnach AGB-rechtlich im unternehmerischen Verkehr nicht zu beanstanden.

Hintergrund

Werden kartellrechtswidrige Absprachen, insbesondere Preisabsprachen, zwischen Unternehmen festgestellt, stellen sich die Vertragspartner der am Kartell beteiligten Unternehmen häufig die Frage, ob sie ihrerseits durch das Kartell einen Schaden erlitten haben. Namentlich: „Haben wir kartellbedingt zu viel bezahlt?

Die Bezifferung eines Schadens, der aus einem Verstoß gegen das Kartellverbot resultiert, ist allerdings nicht einfach. Insbesondere der Nachweis, dass die vom betroffenen Unternehmen gezahlten Preise kartellbedingt höher gewesen sind, als sie es ohne Kartell gewesen wären (und damit in der Differenz ein sog. Preishöhenschaden liegt), ist praktisch nicht leicht zu führen. Der vertraglich vereinbarte Preis muss dabei mit einem hypothetischen Preis verglichen werden, der sich ohne Kartellabsprache ergeben hätte. Zur Ermittlung dieses hypothetischen Preises sind regelmäßig komplexe (und teure) kartellökonomische Gutachten erforderlich.

In der Vertragsgestaltung ist daher schon vor geraumer Zeit der Versuch unternommen worden, durch Klauseln, nach denen im Fall einer Kartellabsprache eine bestimmte Pauschale als Schaden zu ersetzen ist, die Position des Kartellgeschädigten zu stärken und den Nachweis eines Schadens im Einzelfall überflüssig zu machen.

Ob eine solche Klausel AGB-rechtlich allerdings wirksam vereinbart werden konnte, war bislang äußerst umstritten. Insbesondere wurde gegen die Wirksamkeit eingewandt, dass es keine Vermutung dahingehend gebe, dass ein Kartell immer zugleich auch zu einer Preisüberhöhung in einem bestimmten Umfange führt. Würden Klauseln zur Schadenspauschalierung zugelassen, so würde mithin zu Unrecht den am Kartell beteiligten Unternehmen der Nachweis aufgebürdet, dass tatsächlich gar kein Schaden entstanden ist. Es sei aber insoweit grundsätzlich die Sache desjenigen, der einen Schaden behaupte, diesen auch zu beweisen.

Die Entscheidung des BGH

Mit der nunmehr vorliegenden Entscheidung hat der BGH sich allerdings der Gegenauffassung angeschlossen. Nach Auffassung des BGH verstößt eine Schadenspauschalierungsklausel im unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht gegen die AGB-rechtlichen Vorschriften. Sie halte insbesondere der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Klausel einen pauschalen Schadensersatz von nicht mehr als 15 % des tatsächlich gezahlten Kaufpreises vorsehe.

Zur Begründung weist der BGH darauf hin, dass für die Wirksamkeit einer entsprechenden Klausel vorliegend entscheidend sei, dass der redliche Klauselverwender im Falle einer Kartellabsprache seines Vertragspartners mit Hilfe einer Pauschalierungsklausel eine effiziente Kompensation des von dem unredlichen Vertragspartner verursachten Vermögensschadens erreichen könne. Diese Konstellation unterscheide den Fall eines durch eine Kartellabsprache entstanden Schadens von solchen Fällen, in denen mit der Pauschalierungsklausel ein „vertragstypischer“ Schaden abgegolten werden solle. Bei Letzteren könne sich der Geschädigte zur Bemessung eines branchentypischen Durchschnittsschadens auf entsprechende Erfahrungswerte stützen, wohingegen dies bei kartellbedingten Preishöhenschäden gerade nicht möglich sei. Solange sich die pauschalierte Schadenssumme daher im Rahmen verfügbarer ökonomisch fundierter allgemeiner Analysen bewege, nach denen sich durch eine Kartellabsprache verursachte Preiserhöhungen im arithmetischen und geometrischen Mittel jedenfalls auf 15 %, bezogen auf den tatsächlich gezahlten Kaufpreis, belaufen, stünden der Wirksamkeit der Klausel keine Bedenken entgegen.

Der BGH verkennt dabei nicht, dass eine solche pauschalierte Abschätzung zwangsläufig mit der Gefahr einer Über- wie mit der Gefahr einer Unterkompensation einhergeht. Nach Auffassung des BGH aber ist dieser Thematik dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die Klausel dem an der Kartellabsprache beteiligten Schädiger den Nachweis vorbehalten muss, dass dem Auftraggeber ein geringerer Schaden oder gar kein Schaden entstanden ist.

In der Sache selbst hat der BGH nicht entschieden, da nach Auffassung des BGH das Berufungsgericht dem Vorbringen des beklagten kartellbeteiligten Unternehmens, dem Kläger sei kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden, nicht nachgegangen ist. Wie gerade ausgeführt, muss aber dem kartellbeteiligten Unternehmen jedenfalls dieser Nachweis offenstehen, damit die Klausel rechtlich „hält“.

Fazit

Die nun vorliegende Entscheidung gibt wertvolle Hinweise für die Vertragsgestaltung in Lieferbeziehungen. Unternehmen in der Position des Abnehmers können sich durch Aufnahme einer pauschalen Schadensersatzklausel im Falle einer kartellbedingten Schädigung durch den Vertragspartner absichern. Die Durchsetzbarkeit von entsprechenden Ansprüchen auf Grund kartellbedingter Preishöhenschäden dürfte sich dadurch jedenfalls bis zur genannten 15%-Grenze erheblich erleichtern lassen, da insbesondere die praktischen Schwierigkeiten des Nachweises eines (nicht vorliegenden) Preiserhöhungsschadens im Einzelfall durch eine entsprechende Vertragsgestaltung auf den kartellbeteiligten Vertragspartner übergewälzt werden können.

Das Urteil des BGH kann daher der sog. „privaten Kartellrechtsdurchsetzung“ erheblichen Schub verleihen.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 30.04.2021. Das genannte Urteil kann über die Webseite des Bundesgerichtshofs (https://www.bundesgerichtshof.de/ ) abgerufen werden.

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Dr. Christoph Naendrup, LL.M.

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