Das Risiko mit den Polizeikosten: Zusätzliche Gebührenerhebung für die bereits steuerfinanzierte staatliche Kernaufgabe der Polizei?

Wer das Urteil des BVerfG zu den Polizeikosten bei krawallgefährdeten „Hochrisikospielen“ der 1. und 2. Fußballbundesliga im ersten Durchgang liest, gerät doch etwas ins Staunen. Was Juristen nicht alles am „grünen Tisch“ kreieren, aber wenig mit dem „grünen Rasen“ korrespondiert. Eine Bewertung des Urteils von RA Dr. Martin Pagenkopf, Richter am BVerwG a.D. (Bundesverfassungsgericht 14.01.2025 – 548/22).

Schon der Umstand verwundert, dass die mündliche Verhandlung am 24.4.2024 unter engagierter Beteiligung aller betroffenen Akteure stattfand, das Urteil aber erst am 14.1. 2024 – also nach fast 9 Monaten verkündet wurde – quasi eine „juristische Schwangerschaft“, aber wie schon weiland ein früherer Präsident des BVerwG bemerkte, auch richterliche Mühlen mahlen langsam. Aber wenn man so viel Zeit zum Absetzen eines Urteils hat, werden ja auch die etwas breiten Passagen erklärlich, die oft nur die bisherige komplexe Rechtsprechung zum Beitragsrecht nur wiederholen, die allerdings mit dem Geschehen vor den Sportstadien wenig zu tun hat.

Entschieden ist: Die Heranziehung der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH auf der Grundlage des § 4 Abs. 4 des Bremer Gebühren- und Beitragsgesetz zur Zahlung von rund 425.000,-€ wegen des am 19.4.2015 angesetzten Spiel der Bundesliga zwischen dem SV Werder Bremen und dem HSV im Bremer Weserstadion wird trotz erheblicher Einwände der beteiligten Kreise für verfassungsgemäß gehalten. Es waren 969 Polizeikräfte im Einsatz, auch aus 3 weiteren Bundesländern und von der Bundespolizei. Von den 9.537 berechneten Einsatzstunden entfielen auf die auswärtigen Kräfte 4.731.

Recht problematisch erscheint im Urteil die kardinale Aussage unter Rn. 74, wonach selbst eine staatliche Kernaufgabe wie die polizeiliche Gefahrenabwehr und damit die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols „nicht notwendig gebührenfrei zu erbringen“ sei, da in diesem Bereich „kein verfassungsrechtliches Gebührenerhebungsverbot überkommen“ sei.

Das muss man zunächst zweimal lesen, da doch („überkommen“) zu den Grundfesten des Staatsrechts die Vertragstheorie gehört (Hobbes, Locke und &), wonach sich der Bürger unter Aufbringung von Steuern und unter Verzicht auf viele Freiheitsräume dem Staat unterwirft, welcher dann aber als Gegenleistung zur Gewährung von Sicherheit im Inneren und Äußeren verpflichtet ist. Das BVerfG arbeitet dann mit der schillernden Rechtsfigur von „Leistungen innerhalb der polizeilichen Gefahrenvorsorge“ und führt als Beleg für die Ablehnung eines gesonderten „Gebührenerhebungsverbots“ die verfassungsrechtlich zulässigen Gerichtsgebühren an. Gefahrenabwehr für die Allgemeinheit wird damit mit der individuellen Inanspruchnahme der Gerichte gleichgesetzt – recht merkwürdig. Rein lebenspraktisch gedacht, soll hier der Hinweis des Fanbündnis „Unsere Kurve“ genügen, dass der Profifußball pro Jahr ca. 1,6 Mia € an Steuermitteln aufbringt. Es liegt nicht fern, von einer doppelten „Entlohnung“ des Staates, einmal durch Steuern und dann zusätzlich durch Gebühren, zu sprechen.     

Noch eine Merkwürdigkeit: Hätten „Hochrisikospiele“ in Stadien aller anderen 15  Bundesländer stattgefunden, so wären die Polizeikosten mangels gesetzlicher Grundlage dort gar nicht abrechenbar. Insoweit überrascht es, wenn die Bremer Behörde auf der Basis des eigenen Landesrechts Gebühren für den Einsatz landesfremder Polizeikräfte erhebt. Auf diesen Gesichtspunkt geht das BVerfG nicht näher ein und würdigt nicht, dass gerade in den übrigen 15 Ländern ein erkennbarer politischer Wille besteht, für eine bereits steuerfinanzierte Polizeiarbeit zusätzlich eben keine Gebühr zu erheben. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Risikospiele finden auch in der 3. Liga und in der Regionalliga statt. Eine zusätzliche Gebührenbelastung mit Polizeikosten würde in vielen Fällen zu einer Existenzgefährdung der Vereine führen, aber auch eine unnötige Frontstellung zwischen gemeinwohltätigen Sportvereinen und der kooperativ handelnden Polizei.

Wiederrum verwunderlich im Urteil ist, dass das BVerfG unter Rn. 85 durchaus anerkennt, dass „ein hohes Gemeinwohlinteresse an der Durchführung, bestimmter (von der Bremer Norm erfasster)…Veranstaltungen insbesondere von Fußballspielen“ besteht. Die dort genannte „Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“ und die „Integrationsleistung des Fußballs“ (Rn.85) ist als hoher Gemeinwohlwert von den anderen Ländern erkannt worden, weshalb gerade keine Gebührenbelastung gesetzlich eingeführt wurde. Diese würde ja aller Wahrscheinlichkeit nach dann an die spotbegeisterten Fans per Erhöhung der Eintrittspreise weitergeleitet werden.

Das BVerfG stellt die These auf, dass die bei Hochrisikospielen entstehenden polizeilichen Mehrkosten, „denjenigen aufzuerlegen seien, die gerade mit der gefahrgeneigten Veranstaltung Gewinne erzielen“ (Rn. 84). Denn „eine gerechte Kostenverteilung ist für ein Gemeinwesen und für den sozialen Frieden von erheblicher Bedeutung“ (Rn. 84). Das erscheint als eine reine „Rechtsbehauptung“, wenn man die „gebührenfreie“ meist reibungslose Praxis des Fußballgeschehens in den übrigen 15 Bundesländern würdigt. Auch liegt eine „gerechte“ Kostenverteilung bereits durch die Besteuerung auch einer etwaigen Gewinnerzielung vor. 

Dass möglicherweise dem Gericht sein rigider Standpunkt nicht so recht geheuer ist, kommt in seinem Hinweis auf die „Möglichkeit der Billigkeitsmaßnahmen nach § 25 Abs. 1 BremGebBeitrG“ (Rn 83, 108) zum Ausdruck. Danach können Kosten und Beiträge „aus Gründen der Billigkeit“ ganz oder teilweise erlassen werden. Wer allerdings die zur Billigkeit ergangene Rechtsprechung kennt, weiß, dass hier ein dorniges Feld betreten wird. Falls aber andere Bundesländer sich die Regelung aus dem kleinen Stadtstaat zum Vorbild nehmen sollten, wäre mit zahlreichen Verwaltungsprozessen zu rechnen. 

Auch die Klärung der vielen „prognostischen“ gesetzlichen Merkmale aus dem o.g. § 4, wann „voraussichtlich“ mehr als 5000 Personen zeitgleich an einer gewinnorientierten Veranstaltung (auch eine Computermesse, ein Rockkonzert, ein Straßenkarneval auf der Kölner Zülpicher Straße mit 40.000 Personen am 11.11., ein Marathon-Lauf?)  zeitgleich teilnehmen werden, oder wann „erfahrungsgemäß Gewalttaten zu erwarten sind“, wird entgegen der richterlichen Auffassung anderswo als im überschaubaren Stadtstadt zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Problembeladen aus praktischer Sicht dürfte eine in den Flächenstaaten gerichtsfeste Ermittlung sein, wenn zu klären ist, ob „während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs-oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird.“ Eine gebührenrechtliche Verantwortlichkeit ließe sich allenfalls für das Stadion selbst und damit den konkreten Veranstaltungsort begründen. Für die Zufahrtstraßen, erst recht für ein nicht näher eingrenzbares räumliches Umfeld wird immer die steuerfinanzierte Polizeiarbeit maßgebend sein.

Es bleibt zu hoffen, dass die anderen Bundesländer am Prinzip der steuerfinanzierten Polizeiarbeit festhalten und dem Bremer Sonderweg nicht folgen. Zudem sollten die betroffenen Fußballvereine und andere Veranstalter in den Stadien etc. noch intensiver für ein einvernehmliches friedliches Miteinander, auch der Fangruppen unter Eindämmung der Gewaltbereitschaft einiger Weniger sorgen, damit die Integrationswirkung des Sports etc. voll zum Tragen kommt. Was vor den Sport- und anderen Veranstaltungsstätten auf den öffentlichen Plätzen und Wegen geschieht, ist genuiner, gebührenfreier Aufgabenbereich der Polizei. Das Produzieren von gebührenrechtlichen Rechtsstreitigkeiten als Konsequenz aus dem Karlsruher Urteil wäre die schlechtere Alternative.

Zur Pressemitteilung und zum Urteil: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/bvg25-002.html

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Dr. Martin Pagenkopf

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