NRW-Krankenhausreform – Konkrete Umsetzungsschritte – Paradigmenwechsel

Anfang der 51. Kalenderwoche wurden im Zuge des formellen Abschlusses der neuen Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen (NRW) ca. 330 Krankenhäusern die Feststellungsbescheide über ihr jeweiliges künftiges Leistungsspektrum zugestellt. CBH-Partner Dr. Thomas Ritter stellt Grundlinien zum Rechtsschutz vor dem Hintergrund des „Paradigmenwechsels“ weg von der Bettenzahl hin zu Leistungsbereichen und Leistungsgruppen dar.

NRW-Krankenhausreform – Konkrete Umsetzungsschritte – Paradigmenwechsel

Abschluss Krankenhausplanung NRW in der 51. KW

Anfang der 51. Kalenderwoche wurden im Zuge des formellen Abschlusses der neuen Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen (NRW) ca. 330 Krankenhäusern die Feststellungsbescheide über ihr jeweiliges künftiges Leistungsspektrum zugestellt.

Diese neue Krankenhausplanung nach den sogenannten Leistungsbereichen und Leistungsgruppen ist von den Krankenhäusern grundsätzlich ab dem 1. April 2025 umzusetzen. Für gravierende Änderungen in den Krankenhäusern gelten längere Übergangsfristen. Besonderheiten gelten z. B. in den Leistungsgruppen Kardiologie, Notfallversorgung, Orthopädie oder der Bariatrischen Chirurgie. Dabei gibt es aktuell in NRW 64 Leistungsgruppen, nach denen Krankenhäusern bestimmte medizinische Abteilungen zugeteilt werden. Eine Krankenhauspla­nung nach Betten gibt es damit in NRW nicht mehr.

Feststellungsbescheid (§ 16 Abs. 1 KHGG NRW); Grundlage Abrechenbarkeit von Leistungen

Der Feststellungsbescheid hat zentrale Bedeutung für den Versorgungsauftrag des Krankenhauses und dabei vor allem auch für die Abrechenbarkeit der vom Krankenhaus erbrachten Leistungen.  So stellt das Bundessozialgericht z. B. im Urteil vom 29.08.2023 – B 1 KR 18/22 R – klar:

„Der Versorgungsauftrag des Krankenhauses ergibt sich bei einem Plankrankenhaus aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung nach § 6 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 Satz 3 KHG sowie einer ergänzenden Vereinbarung nach § 109 Abs 1 Satz 4 SGB V (§ 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG).“

Grundlage und rechtlicher Rahmen des Feststellungsbescheides ist in Nordrhein-Westfalen § 16 Abs. 1 KHGG NRW wobei für den „Paradigmenwechsel“ weg vom Kriterium der Bettenzahl hin zu den Kriterien der Leistungsbereiche und Leistungsgruppen das Regelungselement des § 16 Abs. 1 Nr. 6 KHGG NRW relevant ist, das da lautet:

„Der Bescheid über die Aufnahme enthält mindestens (…) den Versorgungsauftrag nach Leistungsbereichen und Leistungsgruppen, (…).“

Der Versorgungsauftrag begrenzt die Abrechenbarkeit bzw. die Kodierfähigkeit der vom Krankenhaus erbrachten Leistungen. So stellt das BSG etwa im Urteil vom 29.08.2023, B 1 KR 18/22 R unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung wieder klar:

„Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird, den Versorgungauftrag nicht überschreitet und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist.“

Differenz zwischen Antrag des Krankenhauses und Feststellungbescheid; Keine aufschiebende Wirkung; Eilrechtsschutz

Besteht eine Differenz zwischen den vom Krankenhaus beantragten Leistungsbereichen und Leistungsgruppen und den im Bescheid festgesetzten Leistungsbereichen und Leistungsgruppen und will das Krankenhaus diese Festsetzungen akzeptieren, dann sind grundsätzlich die oben bereits genannten Fristen grundsätzlich bis zum 1. April 2025 bzw. in bestimmten Leistungsgruppen zum Ende des Jahres 2025 für den Aufbau oder den Abbau der jeweiligen Leistungsgruppen zu beachten und unternehmerisch umzusetzen.

Will das Krankenhaus die Differenzen zwischen beantragten Leistungsbereichen und Leistungsgruppen und den im Bescheid festgestellten Leistungsbereichen und Leistungsgruppen nicht akzeptieren, muss der Eintritt der Bestandskraft des Feststellungsbescheides verhindert werden, wobei zu beachten ist, dass nach § 16 Abs. 5 KHGG NRW Rechtsbehelfe gegen einen Feststellungsbescheid keine aufschiebende Wirkung haben. Die Behörde kann also auch rechtswidrige „falsche“ Bescheide zunächst vollziehen, was wegen der Konnexität von Versorgungsauftrag und Kodierbarkeit erbrachter Leistungen schmerzhafte Folgen haben kann bzw. hat.

Die Leitungsorgane von Krankenhäusern, die von negativen Abweichungen zwischen Antrag und Feststellungsbescheid betroffen sind, werden mit Blick auf die oben dargestellte Konnexität zwischen Feststellungen zu den Leistungsbereichen und Leistungsgruppen und einer Beschränkung des Versorgungsauftrags im Bescheid und der Abrechenbarkeit und Kodierbarkeit erbrachter Leistungen also prüfen, ob der in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für diese Situation, dass Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, vorgesehene Eilrechtsschutz in Anspruch zu nehmen ist.

Bei der Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung zieht das Gericht insbesondere die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heran, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen.

Komplizierte Fallkonstellationen; Komplexe Darlegungslasten; sachlicher Zusammenhang von Auswahlentscheidungen bei Zuweisung identisch beantragten Leistungsgruppen

Dabei bestehen im Eilverfahren wie auch im Hauptsacheverfahren betreffend an Krankhäuser ergangene Feststellungsbescheide regelmäßig komplizierte Fallkonstellationen und damit verbunden komplexe Darlegungslasten.

So hatte z. B. das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (14. Senat) (Beschluss vom 04.08.2023 – 14 ME 66/23) zu einem Konkurrenzsachverhalt zu entscheiden und es hat dazu ausgesprochen:

„Konkurrieren mehrere Krankenhäuser um einen bestimmten Versorgungsbedarf und begünstigt die Planungsbehörde eines dieser Krankenhäuser, ohne eine Auswahlentscheidung zwischen den konkurrierenden Krankenhäusern zu treffen, so ist eine (Dritt-)Anfechtungsklage des Trägers des nicht berücksichtigten Krankenhauses gegen den an das andere Krankenhaus gerichteten begünstigenden Feststellungsbescheid zulässig.“

Das BVerfG (BVerfGK 2, 223) hatte dabei – damals unter Zurückverweisung an das OVG NRW – zur früheren Rechtslage klargestellt , dass bereits die Entscheidung über die Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan in aller Regel nicht isoliert, sondern immer auch unter Berücksichtigung gleichzeitig vorliegender anderer Bewerbungen zu erfolgen hat, schon um festzustellen, welches der beteiligten Krankenhäuser nach den maßgeblichen Kriterien am besten geeignet ist (vgl. auch BVerwGE 72, 38).

Weiter das BVerfG ((BVerfG 14.1.2004 – 1 BvR 506/03, BVerfGK 2, 223):

„Entscheidet die Behörde über den Antrag des einen Krankenhauses, so darf sie dies nicht ohne den Vergleich mit gleichzeitig vorliegenden Anträgen anderer Krankenhäuser tun. Die Aufnahme eines von zwei konkurrierenden Krankenhäusern in den Krankenhausplan stellt implizit immer auch eine Entscheidung gegen das andere Krankenhaus dar“.

Nach dem oben dargestellten „Paradigmenwechsel“ hin zu Leistungsgruppen bedeutet das, dass die Behörde, die über den Antrag des einen Krankenhauses entscheidet, dies nicht ohne den Vergleich mit gleichzeitig vorliegenden Anträgen anderer Krankenhäuser tun darf. Die Feststellung einer Leistungsgruppe für eines von zwei konkurrierenden Krankenhäusern stellt so implizit immer auch eine Entscheidung gegen das andere Krankenhaus, das dieselbe Leitungsgruppe beantragt hat, dar.

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Dr. Thomas Ritter

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