Nach einem relativ langen Prozess ist das Verfahren zur Reform des Designrechts auf Unionsebene nun endlich abgeschlossen. Die Neuerungen sollen vor allem dazu dienen, das System zu vereinfachen, effizienter zu gestalten und neue Technologien abzudecken.
Zum Hintergrund
Die Reform des EU-Designrechts ist endlich abgeschlossen! Am 18.11.2024 wurden die neuen Regelungen des EU-Designrechtspaketes veröffentlicht:
- die neue Design-Richtlinie (Richtlinie 2024/2823), die die Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen ersetzen wird und deren Vorgaben bis zum 9. Dezember 2027 durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen
und
- die neue Design-Verordnung (Verordnung Nr. 2024/2822), die die derzeit geltende Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ändert und die Verordnung (EG) Nr. 2246/2002 aufhebt. Diese neue Verordnung gilt ab dem 1. Mai 2025 unmittelbar in der gesamten Union.
Wichtigste Änderungen & Neuerungen
Die neuen Regelungen bringen – neben neuen Begrifflichkeiten und Gebührenänderungen – auch einige inhaltliche Veränderungen und Neuerungen
- Erweiterung des Schutzbereichs
Die Regelungen enthalten neue Definitionen für die Begriffe „Design“ und „Erzeugnis“ (vgl. Art. 2 Design-RL bzw. Art. 3 UDV), die im Ergebnis zu einer deutlichen Erweiterung des Schutzbereichs führen. So werden zukünftig neue Erscheinungsformen erfasst, beispielsweise dynamische, fluide oder rein digitale Designdarstellungen, so dass auch Bewegungen, Zustandsänderungen oder andere Animationsformen Teil des Schutzes sein können. Voraussetzung ist jedoch, dass sie sichtbar wiedergegeben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Der Erzeugnisbegriff wird dahingehend erweitert, dass zukünftig nicht nur physische Gegenstände, sondern explizit auch rein digitale Gegenstände erfasst sind. Damit können künftig auch digitale Räume oder digitale Gegenstände geschützt werden, was insbesondere für Objekte im Metaverse oder in Computerspielen sowie NFTs praxisrelevant sein dürfte. Computerprogramme bleiben allerdings weiterhin vom Erzeugnisbegriff ausgeschlossen und müssen nach den urheberrechtlichen Vorschriften beurteilt werden.
- Kein allgemeines Sichtbarkeitserfordernis
Letztlich ist die Darstellung des Designs entscheidend für dessen Schutzumfang. In der bisherigen Amtspraxis und Rechtsprechung wurde regelmäßig diskutiert, welche Anforderungen an die Sichtbarkeit der einzelnen Erscheinungsmerkmale zu stellen sind, insbesondere, ob eine Sichtbarkeit beim tatsächlichen, normalen Gebrauch erforderlich sei. Dieser – vielfach als systemwidrig kritisierten Tendenz – wird nun ein Riegel vorgeschoben, indem klargestellt wird, dass nur Gestaltungsmerkmale Schutz genießen, die in der Designanmeldung – nicht: beim Gebrauch des Erzeugnisses o.ä. – sichtbar wiedergegeben sind (vgl. Art. 15 Design-RL, Art. 18a UDV).
- Erweiterte Möglichkeiten bei der Darstellung des Designs
Auch die Vorgaben für die Darstellung eines anzumeldenden Designs wurden modernisiert und an die aktuellen technischen Möglichkeiten angepasst. Gemäß Art. 26 Abs. 1 Design-RL ist das Design in einer beliebigen Form visuell darzustellen. Dabei kann die Wiedergabe statisch, dynamisch oder animiert sein und mit „allen geeigneten Mitteln unter Verwendung allgemein zugänglicher Technologien“ erfolgen: neben Zeichnungen und Fotografien werden auch Videos oder Computerbildgebung und -modellierung explizit erwähnt. Die Mitgliedstaaten sollen gemeinsam mit dem EUIPO noch weitere Standards festlegen, insbesondere mit Blick auf die Art und Anzahl der zu verwendenden Ansichten oder aber Arten zulässiger visueller Verzichtserklärungen (vgl. Art. 26 Abs.6 Design-RL).
Positiv für Anmelder ist sicherlich, dass nun mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen, ein Design darzustellen und in einer Form abzubilden, die die jeweiligen Charakteristika bestmöglich berücksichtigt. Umgekehrt führt dieses Mehr an Optionen aber auch dazu, dass die Vor- und Nachteile der jeweiligen Darstellungsformen für jedes Design abgewogen werden müssen. Dies dürfte zu neuen Herausforderungen auf Anmelderseite führen. Abzuwarten bleibt beispielsweise, wie das Verhältnis der jeweiligen Darstellungsformen zueinander zu beurteilen ist, insbesondere, wie sich Darstellungen in einer anderen Form auf die jeweilige Neuheit und Eigenart einer anderen Form und damit letztlich auf den Schutzgegenstand auswirken werden. - Stärkung der Rechtspositionen von Designinhabern
Einige Neuerungen dürften sich positiv auf die Rechtsposition von Designinhabern auswirken.
- Transitregelung
So werden die Rechte von Designinhabern und insbesondere auch der Kampf gegen Produktpiraterie durch eine parallel zum Markenrecht gestaltete Transitregelung deutlich gestärkt, die letztlich auch die eher verletzerfreundliche Rechtsprechung des EuGH korrigiert. So kann künftig die Durchführ von verletzenden Erzeugnissen durch das Hoheitsgebiet der EU untersagt werden, bis der Durchführende nachgewiesen hat, dass dem Designinhaber im endgültigen Bestimmungsland keine Unterlassungsrechte zustehen (vgl. Art. 16 Abs. 3 Design-RL, Art. 19 Abs. 3 UDV). - Schließung der Schutzlücke im Zusammenhang mit 3D-Drucktechnologien
Die 3D-Drucktechnologien führten die bislang geltenden Regelungen an ihre Grenzen. So konnte der reine Versand von Dateien an Verbraucher, die dann ihrerseits ein designverletzendes Erzeugnis über einen 3D-Drucker herstellten, in Ermangelung einer Nutzung der Erscheinungsform nicht als Designverletzung geahndet werden. Diese Schutzlücke soll nun durch die Regelungen in Art. 16 Abs. 2 lit. d Design-RL und Art. 19 Abs. 2 lit. d UDV geschlossen werden, mit der der Inhaber eines Designs Dritten künftig auch „das Erstellen, Herunterladen, Kopieren und das Teilen oder Verbreiten von Medien oder Software, mit denen das Design aufgezeichnet wird, um die Herstellung eines [designverletzenden] Erzeugnisses […] zu ermöglichen“ untersagen kann.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Regelung die in sie gesetzten Hoffnungen in der Praxis auch tatsächlich erfüllen wird, insbesondere, da der Wortlaut – leider – nicht eindeutig ist. So bleibt unklar, was konkret unter der Voraussetzung der „Aufzeichnung des Designs“ zu verstehen ist. Hier wird man abwarten müssen, wie die Gerichte den Begriff auslegen werden. - Erhöhung der Sichtbarkeit – Eintragungssymbol „D im Kreis“
Für die Inhaber eines eingetragenen Designs besteht nun mit Art. 24 Design-RL und Art. 26a UDV die gesetzlich verankerte Möglichkeit, das Design mit einem „D im Kreis“ als Eintragungssymbol zu kennzeichnen. Dritte sollen so – parallel zum „R im Kreis“ bei eingetragenen Marken – für bestehende Schutzrechte sensibilisiert werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieses Symbol in der Praxis durchsetzen wird.
- Transitregelung
- Erweiterung des Schrankenkataloges: herstelleridentifizierende und referentielle Benutzung
Der bislang recht rudimentäre designrechtliche Schrankenkatalog wurde – im Sinne eines effektiven Ausgleichs der widerstreitenden Schutzinteressen – um zwei Fallgestaltungen erweitertet. So ist nun zum einen die referierende Benutzung, dh, die Nutzung zu dem Zweck, „ein Erzeugnis als das des Inhabers des Designs zu identifizieren oder sich darauf zu beziehen“ (Art. 18 Abs. 1 d Design-RL; Art. 20 Abs. 1 d UDV) umfasst. Darüber hinaus wurde auch die Benutzung zum Zweck der Kommentierung, Kritik oder Parodie in den Katalog aufgenommen (Art. 18 Abs.1 e Design-RL; Art. 20 Abs. 1 e UDV). Sowohl diese Fallgestaltungen, als auch die Benutzung zum Zweck des Zitats oder zu Lehrzwecken, die im Wesentlichen unverändert beibehalten wurden, sind am Maßstab der anständigen Geschäftspraktiken zu messen und werden damit unter einen gewissen Lauterkeitsvorbehalt gestellt. Die Anpassungen dürften für eine breitere Beurteilungsbasis für Handlungen sorgen, deren Hauptzweck nicht in der Reproduktion des Designs als solchem liegt, allerdings dürften sich auch unter Berücksichtigung der Neuerungen noch eine Reihe klärungsbedürftiger Einzelfallfragen ergeben. - Neue Reparaturklausel
Für einige Veränderungen wird sicherlich die neu eingeführte verbindliche Reparaturklausel sorgen, die letztlich der Liberalisierung des Ersatzteilmarktes dienen und die bisherige Übergangslösung ersetzen soll (Art. 19 Design-RL und Art. 20a UDV). Ein weiterer Antrieb für die Verabschiedung der vieldiskutierten und viel kritisierten Regelung war sicherlich auch der sog. Green Deal der EU und die Hoffnung auf mehr Nachhaltigkeit und ressourcenschonendere Produkte.
Die Reparaturklausel erlaubt es Herstellern von Ersatzteilen künftig, geschützte Designs zu nutzen, um sog. must-match-Ersatzteile zu produzieren und zu vermarkten, die eingetragene Designs wiedergeben. Dabei müssen allerdings – kumulativ – bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden: Zum einen muss es sich um ein Bauelement eines komplexen Erzeugnisses handeln und das Design des Bauelements muss von der Erscheinungsform des komplexen Erzeugnisses abhängen („must-match“). Zum anderen darf das Ersatzteil ausschließlich zum Zwecke der Reparatur des komplexen Erzeugnisses verwendet werden, um diesem seine ursprüngliche Erscheinungsform zurückzugeben. Hersteller oder Verkäufer derartiger Ersatzteile müssen Verbraucher zudem durch klare und gut sichtbare Angabe auf dem Ersatzteil oder in anderer geeigneter Form über den gewerblichen Ursprung und die Identität des Herstellers des Erzeugnisses informieren. Erfreulicherweise wird durch die neuen Regelungen klargestellt, dass nur formgebundene Bauteile in den Anwendungsbereich der Klausel fallen – formungebundene Bauteile sind damit – entgegen der „Acacia-Entscheidung“ des EuGH (EuGH, Urt. v. 20. Dezember 2017, C-397/16, C-435/16 – Acacia/Audi ua und Acacia ua/Porsche) – nunmehr ausdrücklich ausgeklammert.
Die von der Rechtsprechung zu den bisherigen Regelungen entwickelten Leitlinien zu den Sorgfaltspflichten der Hersteller und Verkäufer gegenüber Verbrauchern dürften grundsätzlich auch hinsichtlich der neuen Reparaturklausel Anwendung finden. Eine gewisse Erleichterung ergibt sich allerdings aus Art. 19 Abs. 3 Design-RL bzw. Art. 20 a Abs. 3 UDV, wonach der Anbieter oder Hersteller des Bauelements nicht verpflichtet ist, zu gewährleisten, dass die von ihm vertriebenen Ersatzteile durch den Endverbraucher ausschließlich für den Zweck der Reparatur verwendet.
Für Deutschland ergeben sich insoweit keine gravierenden Änderungen, da mit § 40a DesignG bereits eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Regelung existiert. Zahlreiche andere Mitgliedstaaten müssen entsprechende Regelungen allerdings erst noch einführen, sie haben dafür aber 8 Jahre Zeit. - Formalia: Bezeichnungen, Sammelanmeldungen und Gebühren
Auch mit Blick auf die „Formalia“ ergeben sich einige Änderungen:
- Änderung des Wording / der Bezeichnungen
Für ein wenig Irritation könnte die Anpassung der Bezeichnungen sorgen. Lange überfällig war die Änderung von „Geschmacksmuster“ zu „Design“ in den deutschen Fassungen der Regularien. Leider wird dies nicht konsequent umgesetzt, so spricht die Verordnung weiterhin von „Geschmacksmustern“, wenn nun auch von „Unionsgeschmacksmustern“ anstelle von „Gemeinschaftsgeschmacksmustern“. - Entfall des „one class“-Erfordernisses bei Sammeldesigns:
Zukünftig müssen die einzelnen Designs einer Sammelanmeldung nicht mehr zur gleichen Locarno-Erzeugnisklasse gehören. Das Entfallen dieses „one class“ Erfordernisses wirkt sich für Anmelder insbesondere dann positiv aus, wenn eine Vielzahl von Designs unterschiedlicher Klassen angemeldet werden sollen – künftig können nun auch in solchen Konstellationen die Vorteile einer Sammelanmeldung beansprucht werden, insbesondere die in diesem Falle geltenden Rabatte bei den Gebühren. - Änderung der Gebührenstruktur bei Unionsdesigns
Auf Unionsebene werden die Anmelde- und Eintragungsgebühren zu einer einheitlichen Gebühr zusammengefasst, was zu einer Vereinfachung des Systems führen dürfte. Die Ausgangsgebühr für ein Design bleibt mit 350 EUR gleich, bei Sammelanmeldungen sinkt die Gebührenhöhe zum Teil etwas. Allerdings werden auf längere Sicht gesehen die Gebühren – entgegen der ursprünglichen Reformpläne – über die Kosten der Verlängerungen deutlich angehoben. So soll das Register aktuell gehalten und von „inaktiven“ Designs befreit werden – auch wenn dies rechtspolitisch grundsätzlich nachvollziehbar ist, werden die Inhaber eines großen, aktiven Portfolios damit sicherlich nicht unerheblich belastet.
- Änderung des Wording / der Bezeichnungen
Fazit & Ausblick
Die neuen Regelungen zum Designschutz sind grundsätzlich zu begrüßen und setzen an vielen Stellen Anpassungen um, die bereits seit geraumer Zeit überfällig waren. Vielfach werden Klarstellungen oder gar Korrekturen der Amtspraxis und Rechtsprechung herbeigeführt, die damit letztlich zu einer Erhöhung der Rechtssicherheit und damit auch zu einer Stärkung der Rechtsposition der Designinhaber führen.
Positiv hervorzuheben sind sicherlich die neuen Definitionen des Design- und Erzeugnisbegriffs, die eine Aktualisierung des Schutzrechts an den heutigen Stand der Technik bewirken und Anmeldern neue Möglichkeiten zum Schutz ihrer Entwicklungen bieten. Auch das Entfallen des „one class“ Erfordernisses dürfte sich in der Praxis positiv auswirken, gleiches gilt für die Klarstellung zum Sichtbarkeitserfordernis oder aber zur Beschränkung der Reparaturklausel auf formgebundene Teile.
An anderen Stellen bleiben die Regelungen allerdings leider etwas hinter den Möglichkeiten und Erwartungen zurück, bezeichnend ist dies bei dem uneinheitlichen Wording zu erkennen, welches zum Teil noch immer auf „Geschmacksmuster“ abstellt. Einige Regelungen werden durch ihren missverständlichen oder zumindest vagen Wortlaut bis zur Klärung durch die Rechtsprechung für Diskussionsbedarf sorgen – hier wären konkretere Formulierungen wünschenswert gewesen.
Die Änderungen bieten Unternehmen und Designern daher zahlreiche neue Möglichkeiten, stellen sie aber zugleich auch vor neue Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, die weiteren Entwicklungen im Blick zu behalten und die eigene Schutzrechtsstrategie auf etwaigen Anpassungsbedarf zu überprüfen.