Urheberrechtsschutz für technische Gutachten?

Mit Urteil vom 09.02.2022 (12 O 114/21) hat das LG Düsseldorf zu den Anforderungen des Urheberrechtschutzes für technische Gutachten Stellung genommen

Sachverhalt

Die Klägerin, ein im Bereich der Tragwerkplanung und Statik tätiges Ingenieursunternehmen, hatte die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzung u. a. auf Unterlassung in Anspruch genommen. Hintergrund war ein von der Beklagten im Oktober 2020 dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW im Rahmen eines Bauvorhabens vorgelegtes Gutachten mit der Bezeichnung „Tragend verklebte Konvortec Fassadenbekleidung in Anlehnung an AbZ.Z70.2-178“, das den Wortlaut eines Gutachtens der Klägerin aus dem Jahr 2018 übernommen hatte. Die Klägerin sah darin eine Urheberrechtsverletzung.

Entscheidung des LG Düsseldorf

Das LG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Nach Auffassung der Kammer war das Gutachten nicht schutzfähig im Sinne des Urheberrechts.

Da das Gutachten keine Zeichnungen enthalte, ergebe sich insbesondere kein Schutz aus § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG. Die Anforderungen an ein Sprachwerk § 2 Nr. 1 UrhG) lägen ebenfalls nicht vor. Die Einstufung als Werk setze eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers voraus. Dies erfordere, dass der geschützte Gegenstand die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. In Abgrenzung hierzu stünden technische Ausführungen, die durch technische Regeln bestimmt werden und dem Autor keinen Raum für die Ausübung künstlerischer Freiheit lassen (vgl. EuGH GRUR 2019, 1185 Rn. 29 ff. – Cofemel/G-Star).

Das technische Gedankengut eines Werkes könne wegen der Abgrenzung zu technischen Schutzrechten nicht Gegenstand des Urheberrechtsschutzes sein und daher auch nicht zur Begründung der Schutzfähigkeit von Schriftwerken herangezogen werden. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit solcher Schriftwerke könne ihre Grundlage deshalb nur in der Form der Darstellung finden:

„Sie sind deshalb schutzfähig bei einer eigenschöpferischen Gedankenformung und -führung des dargestellten Inhalts und/oder der besonders geistvollen Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs (vgl. BGH, Urt. v. 29.03.1984 – I ZR 32/82 – Ausschreibungsunterlagen, juris Rn. 22; KG Berlin, Beschl. v. 11.05.2011 – 24 U 28/11 –, juris Rn. 6 f.). Die (schöpferischen) Eigenheiten des zu beurteilenden Schriftwerks (gegenüber etwaigen vorbekannten Gestaltungen) müssen das Alltägliche, das Handwerksmäßige, die mechanisch-technische Aneinanderreihung des Materials deutlich überragen, wenn das Werk urheberrechtsschutzfähig sein soll (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 116, 117 f.).

Gerade bei Zweifeln an der Schutzfähigkeit eines Werkes ist festzustellen, ob im konkreten Fall ein Gestaltungsspielraum für Formen besteht, die nicht bekannt, naheliegend, technisch-bedingt oder sonstig vorgegeben sind, wie groß der Gestaltungsspielraum ist und ob hiervon auf individuelle Weise Gebrauch gemacht wurde (vgl. VG Frankfurt (Oder), Urt. v. 15.07.2021 – 5 K 486/20 –, juris Rn. 57 f.; Dreier/Schulze/Schulze, 6. Aufl. 2018, UrhG § 2 Rn. 94). Die im fraglichen wissenschaftlichen Fachbereich übliche Ausdrucksweise (Fachsprache) sowie die aus wissenschaftlichen Gründen gebotene Darstellungsart und der hierfür übliche Aufbau erreichen die im Urheberrecht verlangte hinreichende Individualität nicht (vgl. Dreier/Schulze/Schulze, 6. Aufl. 2018, UrhG § 2 Rn. 93 m.w.N.)“ (Hervorhebung nur hier).

Vorliegend habe die Klägerin nicht dazu vorgetragen, welche Überlegungen zu der konkreten Darstellung des Gutachtens geführt haben. Das Vorbringen habe sich in dem pauschalen Vortrag erschöpft, der Aufbau sei nicht lediglich nach vorgegebener Anleitung unter dem Gebot der Zweckmäßigkeit erfolgt.

Das LG Düsseldorf geht in der Entscheidung deshalb davon aus, das Vorgehen und der Aufbau seien maßgeblich von den Vorgaben des Ministeriums und den tatsächlichen Gegebenheiten beeinflusst worden. Mangels anderer Anhaltspunkte könne auch bei unterstelltem Gestaltungsspielraum nur angenommen werden, dass zwei unabhängig voneinander arbeitende Urheber von diesem weitgehend auf dieselbe Weise Gebrauch gemacht hätten und deshalb nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen wären.

Praxishinweis

Das LG Düsseldorf legt einen strengen Maßstab an die Urheberrechtsfähigkeit technischer Gutachten als Sprachwerk an. Um den Urheberrechtsschutz begründen zu können, muss deshalb herausgearbeitet werden, welche Gestaltungsspielräume bestehen und wie der Urheber hiervon bei der Art und Weise der Darstellung individuellen Gebrauch gemacht hat.

Quelle: LG Düsseldorf, Urt. v. 09.02.2022 – 12 O 114/21

Zurück
Niklas Kinting

Niklas Kinting

T: +49 221 95 190-83
ZUM PROFIL