Schäumende Badekugeln: Vertriebsverbote für lebensmittelähnliche Kosmetikprodukte

In bestimmten Fällen kann das Interesse am Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Verbraucher dem Recht auf Vermarktung bestimmter kosmetischer Mittel vorgehen, sodass Vertriebsverbote verhängt werden können (vgl. EuGH, Urteil vom 02.06.2022, Az. C-122/21 - Get Fresh Cosmetics).

Hintergrund

Kosmetikhersteller unterliegen vielen gesetzlichen Vorgaben, die in erster Linie dem Schutz der Verbraucher dienen sollen.

So heißt es beispielsweise in Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 (Kosmetikverordnung), dass die Aufmachung kosmetischer Mittel und insbesondere ihre Form, ihr Geruch, ihre Farbe, ihr Aussehen, ihre Verpackung, ihre Kennzeichnung, ihr Volumen und ihre Größe die Gesundheit und die Sicherheit der Verbraucher nicht dadurch gefährden sollen, dass sie mit Lebensmitteln verwechselt werden. Dies wird ergänzt durch die Richtlinie 87/357/EWG, die bestimme Regelungen für Erzeugnisse trifft, deren tatsächliche Beschaffenheit nicht erkennbar ist und die die Gesundheit oder die Sicherheit der Verbraucher gefährden könnten.

Im Rahmen eines aktuellen Vorabentscheidungsverfahrens hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) sich mit solchen lebensmittelähnlichen Kosmetika auseinanderzusetzen – konkret ging es um Badekugeln, die aussahen wie Pralinen. Das litauische Verbraucherschutzamt warf dem Kosmetikhersteller vor, dass aufgrund der Lebensmittelähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr bestünde und vor allem die Gesundheit von Kindern und älteren Menschen durch den Vertrieb der Produkte gefährdet werden würde. Aufgrund der Vergiftungsgefahr müsse der Verkauf gestoppt werden.

Das Oberste Verwaltungsgericht von Litauen ersuchte den Gerichtshof um Erläuterungen zur Auslegung der Richtlinie 87/357. Es wollte unter anderem wissen, ob durch objektive und belegte Daten nachgewiesen werden muss, dass die Einnahme derartiger Erzeugnisse mit Risiken für die Gesundheit oder die Sicherheit verbunden sein kann.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass Produkte, die wie Lebensmittel aussehen, aber eigentlich keine sind, nicht per se gefährlich sind. Ein Vermarktungsgebot könne zwar grundsätzlich verhängt werden, dafür müssten aber kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Es müsse sich bei dem Erzeugnis um ein Nicht-Lebensmittel handeln, das die Form, den Geruch, die Farbe, das Aussehen, die Aufmachung, die Etikettierung, das Volumen oder die Größe eines Lebensmittels hat.
  2. Die vorstehend genannten Merkmale müssten so beschaffen sein, dass vorhersehbar ist, dass Verbraucher, insbesondere Kinder, das Erzeugnis mit einem Lebensmittel verwechseln.
  3. Es müsse vorhersehbar sein, dass Verbraucher das Erzeugnis deshalb zum Mund führen, lutschen oder schlucken.
  4. Es müsse mit Risiken wie der Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals verbunden sein können, wenn dieses Erzeugnis zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt wird.

Ergänzend führt der EuGH aus, dass die Richtlinie 87/357 keine Bestimmung enthält, die eine Vermutung der Gefährlichkeit von Erzeugnissen, deren tatsächliche Beschaffenheit nicht erkennbar ist, und insbesondere auch keine Vermutung für das Vorliegen der genannten Risiken einführt, sondern dass der Unionsgesetzgeber im Gegenteil verlangt, dass diese Risiken im Einzelfall beurteilt werden müssen. Bei dieser Beurteilung müssten die Mitgliedstaaten jedoch insbesondere die besondere Schutzbedürftigkeit bestimmter Personen und Verbrauchergruppen berücksichtigen, beispielsweise von Kindern oder älteren Menschen.

Die nationalen Behörden seien allerdings nicht verpflichtet, durch objektive und belegte Daten nachzuweisen, dass derartige Erzeugnisse tatsächlich mit Lebensmitteln verwechselt werden könnten oder dass die Gefahren für Gesundheit oder Sicherheit erwiesen sind. Die zuständigen Behörden müssen also keine eindeutigen Nachweise vorlegen, um einen Verkaufsstopp anzuordnen.

Praxishinweis

Mit der Entscheidung fasst der EuGH die Voraussetzungen für die Verhängung eines Vertriebsstopps bei lebensmittelähnlichen Produkten, die die Gesundheit der Verbraucher gefährden könnten – wie beispielsweise Kosmetika – übersichtlich und strukturiert zusammen.

Zwar stellt der Gerichtshof klar, dass derartige Erzeugnisse nicht per se gefährlich sind, es also keine entsprechende gesetzliche Vermutung für ihre Gefährlichkeit gibt, und weitere – kumulative – Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Vertriebsverbot verhängt werden kann. Insoweit wird ein solches – in der Praxis u. U. sehr gravierendes – Verbot daher an einige Vorgaben geknüpft. Das Gericht führt jedoch auch aus, dass die zuständigen Behörden keine objektiven Nachweise für ihre Vermutung, dass ein Produkt gefährlich im Sinne der Verordnung sein könnte, vorlegen müssen, so dass insoweit für Hersteller natürlich weiterhin ein nicht unerhebliches Risiko besteht, wenn sie von einer Behörde in Anspruch genommen werden.

Gerade bei lebensmittelähnlichen Produkten sollte daher ein besonderes Augenmerk auf die Gestaltung der Produktverpackung bzw. Etikettierung gelegt werden, da die Gefahr eines unsachgemäßen Gebrauchs und damit auch das Risiko der Verhängung eines Vertriebsstopps so deutlich verringert werden kann.

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Britta Iris Lissner, LL.M.

Britta Iris Lissner, LL.M.

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