Mit Urteil vom 26.01.2024 – Az. 6 W 742/23e – entschied das OLG München, dass trotz parallelem Widerspruchsverfahren eine Abmahnung vor Erhebung der Unterlassungsklage nicht entbehrlich ist, um ein sofortiges Anerkenntnis des Beklagten gemäß § 93 ZPO zu vermeiden.
Sachverhalt
Der Beklagte im hiesigen Verfahren hatte beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Marke angemeldet. Daraufhin stellte der Kläger ihm in einem Schreiben die Einlegung eines Widerspruchs in Aussicht, falls er die Markenanmeldung nicht zurückziehe.
Nachdem der Beklagte seine Anmeldung der beanstandeten Marke nicht zurückzog, legte der Kläger Widerspruch gegen die besagte Anmeldung ein und es kam zu einem Widerspruchsverfahren. In diesem Widerspruchsverfahren standen sich der Kläger als Widersprechender und der Beklagte als Anmelder gegenüber. Trotz Verteidigung der Anmeldung blieb eine Benutzung der Marke durch den Beklagten aus. Er hatte angekündigt, eine Benutzung der Marke erst nach Beendigung des Widerspruchsverfahrens aufzunehmen.
Im weiteren Verlauf erhob der Kläger – ohne vorherige Abmahnung – eine Unterlassungsklage beim Landgericht München I. Den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erkannte der Beklagte nach Klagezustellung unmittelbar an und nahm seine Markenanmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt zurück.
Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Beklagten auferlegt. Das Landgerichts München I war der Auffassung, dass der Beklagte infolge seiner Verteidigung im Widerspruchsverfahren Anlass zur Klage gegeben habe und eine vorherige Abmahnung somit entbehrlich gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung ging der Beklagte im Wege einer sofortigen Beschwerde vor.
Entscheidung
Die zulässige Beschwerde des Beklagten hatte in der Sache Erfolg. Das OLG München entschied, dass die Prozesskosten gemäß § 93 ZPO dem Kläger aufzuerlegen seien.
Diese Entscheidung begründete das Gericht damit, dass seitens des Beklagten ein sofortiges Anerkenntnis erfolgt sei und er keinen Anlass zur Erhebung der Klage i. S. d. § 93 ZPO gegeben habe. Vorliegend fehle es an einer erfolglosen Abmahnung, da das in Aussicht stellen der Einlegung eines Widerspruchs gegen die Markeneintragung – sofern eine Markenanmeldung nicht zurückgezogen werde – nicht die Voraussetzungen erfülle. Denn im vorliegenden Fall sei aus Sicht des Beklagten nicht mit der Erhebung einer zivilgerichtlichen Klage zu rechnen gewesen.
Ferner liege auch kein Fall der Entbehrlichkeit einer Abmahnung vor. Eine Abmahnung sei dem Gläubiger nur nicht zuzumuten und daher entbehrlich, wenn sie offensichtlich nutzlos sei. Grundsätzlich könne der jeweilige Gläubiger von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung ausgehen, wenn sich der Schuldner der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens berühmt und damit über die Äußerung seines Rechtstandpunkts hinaus zu erkennen gibt, dass er sich von seinem Verhalten auch durch eine Abmahnung nicht abbringen lassen wird.
Unter Berücksichtigung des um ein vielfaches höheres Kostenrisiko eines zivilgerichtlichen Prozesses lasse sich nicht darauf schließen, dass der Beklagte angesichts der Verteidigung im Widerspruchsverfahren auch dieses weitaus höhere Kostenrisiko eingehe. Daher sei es dem Kläger zuzumuten gewesen, vor der Klageerhebung den Beklagten – trotz der Verteidigung der Marke im Widerspruchsverfahren – zunächst durch die konkrete Androhung einer Unterlassungsklage doch noch zum „freiwilligen“ Verzicht auf die Marke zu bewegen.
Somit gelangte das OLG München zu der Entscheidung, dass die erstinstanzliche Kostenentscheidung auf die Beschwerde des Beklagten abzuändern sei und mithin die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 93 ZPO dem Kläger aufzuerlegen seien.
Fazit
Die Vorschrift des § 93 ZPO ist von hoher Bedeutung in der Markenpraxis, da Rechtsstreitigkeiten im Markenrecht häufig sowohl amtliche Verfahren als auch gerichtliche Verfahren betreffen. Die Entscheidung des OLG München und das damit verbundene Argument des höheren Kostenrisikos eines Klageverfahrens gegenüber einem Widerspruchsverfahren verschaffen Klarheit bei der Beurteilung der Gefahr eines sofortigen Anerkenntnisses gemäß § 93 ZPO im Zusammenhang mit vorangegangenen Verteidigungshandlungen des Anmelders im Widerspruchsverfahren.