OLG Frankfurt a. M.: Zur ausschließlich technischen Bedingtheit eines Designs

Das OLG Frankfurt a. M. hat mit Urteil vom 04.07.2024 (Aktenzeichen 6 U 40/20 - Tellerschleifgerät) die Anforderungen zur Bestimmung des Schutzumfangs von Designrechten spezifiziert, die technisch bedingte Merkmale aufweisen. Der Schutzumfang steht dabei in einem Abhängigkeitsverhältnis zu der Existenz eines Gestaltungsspielraums - selbst ein einzigartiges Design ohne vorbekannten Formenschatz kann unter Umständen daher lediglich einen geringen Schutzumfang aufweisen, wenn dem Entwerfer lediglich ein geringer Gestaltungsspielraum zur Verfügung stand.

Zum Hintergrund

Der Schutzumfang eines eingetragenen Designs bzw. Geschmacksmusters hängt letztlich davon ab, welchen Abstand das Design zum vorbekannten Formenschatz aufweisen kann. Ein größerer Schutzumfang führt dazu, dass selbst größere Gestaltungsunterschiede eines anderen Produkts beim informierten Benutzer keinen abweichenden Gesamteindruck begründen können – umgekehrt können selbst geringe Unterschiede für einen abweichenden Gesamteindruck ausreichen, wenn der Schutzumfang des Designs als eher klein einzustufen ist. Insbesondere bei Gestaltungen, die eine technische Funktion aufweisen, ist ergänzend zu berücksichtigen, dass Erscheinungsmerkmale, die ausschließlich durch ihre technische Funktion bedingt sind, vom Designschutz ausgeschlossen sind (vgl. nur § 3 Abs. 1 Nr. 1 DesignG). Eine Übereinstimmung in einem derartigen Merkmal reicht daher nicht aus, um eine Verletzung des eingetragenen Designs zu begründen.

Entscheidung des OLG Frankfurt am Main

Das Gericht hatte sich vorliegend mit Tellerschleifmaschinen zu befassen. Nach Auffassung des Senats weist das in Rede stehende Design der Klägerin lediglich einen unterdurchschnittlich geringen Schutzumfang auf, in dem das angegriffene Tellerschleifgerät der Beklagten nicht fällt – die Klage wurde daher abgewiesen.

Das Gericht stellt nochmals klar, dass für die Bemessung des Schutzumfangs des Klagedesigns unter anderem auch zu berücksichtigen sei, inwieweit der Entwerfer den ihm zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum ausgenutzt hat. Der Schutzumfang eines Designs wird nicht nur durch die Musterdichte, sondern auch durch die Ausnutzung des Gestaltungsspielraums durch den Entwerfer und den dadurch erreichten Abstand vom Formenschatz bestimmt. Aus der Abhängigkeit des Schutzumfangs von der Existenz eines Gestaltungsspielraums und dessen Nutzung ist abzuleiten, dass einem sogar einzigartigen Klagedesign ohne vorbekanntem Formenschatz unter Umständen ein lediglich geringer Schutzumfang zugebilligt werden kann, wenn dem Entwerfer, insbesondere wegen technischer Vorgaben ein nur geringer Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht.

Dies sei auch vorliegend der Fall, so der Senat. Es käme maßgeblich darauf an, welche technischen Vorgaben der Gestalter vorfindet, die für ihn unveränderlich sind und ihm keinen Raum für Gestaltungsentscheidungen lassen. Anders als im wettbewerblichen Leistungsschutz sei beim Schutzumfang eines Designs allein auf die Gestaltungsmöglichkeiten abzustellen, die dem Entwerfer eingeräumt sind. Gerade bei technischen Geräten wie den streitgegenständlichen Tellerschleifmaschinen sei davon auszugehen, dass ihre Funktion im Vordergrund stünde und gestalterische Entscheidungen allenfalls ihre Verkäuflichkeit erhöhen würden. Deshalb sei grundsätzlich auch davon auszugehen, dass dem Entwerfer nicht nur die technisch notwendigen, sondern auch die technisch zweckmäßigen Lösungen vorgegeben seien und dass ihm in diesem Zusammenhang keine Gestaltungsmöglichkeiten blieben. Der Grad der Gestaltungsfreiheit, der den Schutzumfang eines Designs bestimmt, würde folglich nicht nur durch den Verwendungszweck des in Rede stehenden Erzeugnisses eingeschränkt, sondern auch durch technische Notwendigkeiten und technische Zweckmäßigkeit. Diese müssten einen gestalterischen Überschuss zulassen, von dem der Entwerfer Gebrauch machen könne.

Aus Sicht des Gerichts blieb dem Entwerfer vorliegend lediglich in einigen wenigen Punkten Gestaltungsfreiheit, beispielsweise mit Blick auf die Farbwahl/Kontrastierung. Die weiteren Merkmale seien weitestgehend technisch bedingt, ein dem Entwerfer zur Verfügung stehender Gestaltungsspielraum beispielsweise mit Blick auf den Schleiftisch, der denselben Funktionsmechanismus gewährleisten würde, sei nicht erkennbar. Das Gericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass das angegriffene Tellerschleifgerät der Beklagten in der Gesamtschau beim informierten Benutzer einen völlig anderen Gesamteindruck vermittelt und eine Verletzung des Klagedesigns daher zu verneinen sei.

Praxistipp

Die Frage, ob Erscheinungsmerkmale ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt sind, ist in der Praxis häufig nur schwer zu beurteilen. Die Prüfung muss mit der einschlägigen Rechtsprechung für jedes den Gesamteindruck prägende Merkmal gesondert anhand aller für den Einzelfall maßgeblichen objektiven Umstände vorgenommen werden. Letztlich ist zu ermitteln, ob die technische Funktion der einzige dieses Merkmals bestimmende Faktor ist. Insoweit sind alle objektiven maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu würdigen, insbesondere die objektiven Umstände, aus denen die Motive für die Wahl der Erscheinungsmerkmale deutlich werden, Informationen über deren Verwendung oder auch auf das Bestehen alternativer Geschmacksmuster, mit denen sich dieselbe technische Funktion erfüllen lässt, soweit für diese Umstände, Informationen oder Alternativen tragfähige Beweise vorliegen.

Die aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt am Main verdeutlicht, dass sogar ein neues und eigenartiges Design, dem eigentlich kein Formenschatz entgegengehalten werden kann, unter Umständen lediglich ein geringer Schutzumfang zukommen kann, wenn der Entwerfer aufgrund technischer Vorgaben nur einen geringen Gestaltungsspielraum zur Verfügung hatte.

Eine genaue Prüfung und Bewertung aller Gestaltungsmerkmale ist daher sowohl für Inhaber eines eingetragenen Designs im Hinblick auf die Erfolgsaussichten eines möglichen Vorgehens relevant, umgekehrt aber auch für mögliche Wettbewerber im Hinblick auf die Risikoeinordung sowie die Beurteilung etwaiger Verteidigungschancen.

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Britta Iris Lissner, LL.M.

Britta Iris Lissner, LL.M.

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