OLG Düsseldorf – Sekundäre Darlegungslast im Patentverletzungsprozess 

In einem Urteil vom 07.04.2022 (Az: I-2 U 17/20) hat sich das OLG Düsseldorf unter anderem mit der Frage befasst, welche Anforderungen für den im Patentverletzungsprozess Beklagten bestehen, wenn der Patentinhaber bestimmte technische Zusammenhänge darlegt, aufgrund derer die Patentverletzung wahrscheinlich ist.

Der Patentinhaber ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, aufgrund derer sich die geltend gemachten Ansprüche ergeben. Dies umfasst auch die Darlegung der Patentverletzung in tatsächlicher Hinsicht, also die Erfüllung aller zum Patentanspruch gehörender Merkmale. Je nach Natur der Erfindung entziehen sich jedoch manchmal bestimmte Umstände der Erkenntnismöglichkeit des Klägers. Wenn der Kläger jedoch im Rahmen seiner Erkenntnismöglichkeiten spezifische (insbesondere technische und naturwissenschaftliche) Zusammenhänge vorträgt, die auf eine Patentbenutzung hinweisen, reicht im Einzelfall ein pauschales Bestreiten des Beklagten bzw. ein Bestreiten mit Nichtwissen nicht aus. Vielmehr gibt es ein Wechselspiel zwischen den beiderseitigen Darlegungslasten, sodass der Beklagte dazu angehalten sein kann, sich ebenfalls spezifisch zu den vom Kläger vorgetragenen Umständen zu erklären.

Im Kontext des entschiedenen Falls hat das OLG nochmals die in der Rechtsprechung zu diesem Wechselspiel von primärer und sekundärer Darlegungs- und Beweislast entwickelten Grundsätze zusammengetragen:

Die Substantiierungslast des Bestreitenden hängt davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat: Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen (BeckOK ZPO/Bacher, 43. Edition Stand: 01.12.2021, § 286 Rz. 18). Dabei obliegt es zunächst der darlegungsbelasteten Partei, ihr Vorbringen zu konkretisieren und zu detaillieren (BGH, NJW 1999, 1404). Je detaillierter ihr Vorbringen ist, desto höher sind die Substantiierungsanforderungen gemäß § 138 Abs. 2 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, NJW-RR 2011, 1509; BGH, NJW-RR 2015, 468; BGH, NJW-RR 2018, 1089; BGH, NJW-RR 2020, 1320, jew. m.w.N.). Substantiiertes Vorbringen kann danach grundsätzlich nicht pauschal bestritten werden (BGH, NJW 2010, 1357; BGH, NZG 2018, 497; BGH, NZG 2020, 1149). Hat etwa die klagende Partei ihren Vortrag durch Vorlage von Unterlagen hinreichend konkretisiert, so muss die beklagte Partei dieses Vorbringen ebenso qualifiziert bestreiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH, NJW 1983, 687; BGH, NJW 1987, 2008; BGH, NJW 2005, 2614; BGH, NJW-RR 2019, 1332). In diesen Fällen ist einfaches Bestreiten mit Nichtwissen nicht zulässig, sondern es kann von dem Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH, NJW 2008, 982, 984). Dies erfordert eine konkrete Erwiderung, indem sich die beklagte Partei aktiv an der Sachverhaltsaufklärung beteiligt, zu den einzelnen relevanten Behauptungen der klagenden Partei Stellung nimmt und eine eigene Darstellung dazu liefert, dass und weshalb diese Behauptung unzutreffend ist (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 421 – Montagegrube; Urt. v. 09.12.2021, GRUR-RS 2021, 39600, Rz. 65 – Rasierapparat).

Zurück
Dr. Martin Quodbach, LL.M.

Dr. Martin Quodbach, LL.M.

T: +49 221 95 190-83
ZUM PROFIL