Das LG Hamburg hat mit Urteil vom 09.08.2024 (Aktenzeichen 315 O 9/24) entschieden, dass eine Kreuzfahrtreederei nicht mit der Aussage „dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (net-zero)“ werben darf, da diese den angesprochenen Verkehr in die Irre führe und daher wettbewerbswidrig sei.
Sachverhalt
Das Kreuzfahrtunternehmen warb auf seiner deutschsprachigen Webseite mit Aussagen zu seinen Klimazielen, nämlich, dass es bis 2050 einen „dekarbonisierten Kreuzfahrtbetrieb (net-zero)“ anstrebe. Diese Aussage war in eine Zeitachse eingebettet, die verschiedene Nachhaltigkeitsmaßnahmen bis zum Jahr 2025, bis zum Jahr 2030 sowie zum Jahr 2050 vorsah.
Für das Jahr 2050 stand dort Folgendes:
Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“
– Nutzung von LNG für Dual-Use-Schiffe
– Beschaffung und Nutzung von grünem Methanol und anderen E-Fuels
– Ausschließlich Design und Bau von Net-zero-Neubauschiffen
– Beginn des Ausstiegs aus fossilen Kraftstoffen
– Nutzung von grünem Landstrom
Die Klägerin betrachtete dies als irreführende Werbung, da nicht ausreichend dargelegt wurde, wie das Unternehmen das angekündigte Ziel erreichen wolle. Insbesondere sei die Werbung irreführend, weil die angesprochenen Verkehrskreise die Formulierung „dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb“ eher dahin verstehen würden, dass die Beklagte beabsichtige, ab dem Jahr 2050 keine Treibhausgase mehr auszustoßen. Daher müsse die Beklagte eindeutig angeben, dass sie im Jahr 2050 auch weiterhin Kompensationsmaßnahmen ergreifen werde.
Entscheidung
Das LG Hamburg verurteilte den Kreuzfahrtanbieter zur Unterlassung der Aussage.
Das Gericht betonte, dass bei Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutig und Klarheit der Werbeaussagen bestünden (BGH, Urteil vom 27.06.2024, Az.: I ZR 98/23, Rn. 24, – klimaneutral). Es handele sich hier um eine umweltbezogene Werbeaussage, die bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein gesteigertes Interesse und Aufklärungsbedürfnis über ihre Bedeutung und ihren Inhalt hervorrufe, da sie keiner einheitlichen Interpretationsmöglichkeit für die angesprochenen Verkehrskreise zugänglich und damit mehrdeutig sei. Angesichts eines eher geringen sachlichen Wissensstands der Verbraucher sowie der fehlenden Verbreitung und Üblichkeit von Begriffen wie „Dekarbonisiert“ und „Net-zero“, könne nicht von einem einheitlichen Verkehrsverständnis ausgegangen werden. „Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb“ sei nämlich sowohl als vollständige Vermeidung von CO2- Emissionen sowie zum anderen im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz unter Zuhilfenahme von Kompensationsmaßnahmen zu verstehen.
Der Verkehr werde hingegen nicht entsprechend durch die angegriffene Werbung aufgeklärt, dass das Klimaziel eines „dekarbonisierten Kreuzfahrbetriebs“ im Jahr 2050 weiterhin Emissionskompensationsmaßnahmen involviere. Dem gesteigerten Aufklärungsbedürfnis des Verbrauchers diesbezüglich werde nicht nachgekommen. Der durch die Aussage entstehende Eindruck, dass ein „dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb“ im Jahr 2050 ohne Kompensationsmaßnahmen auskommen wird, werde durch die Darstellung in der Zeitachse noch dadurch verstärkt, dass die Beklagte ab dem Jahr 2025 zunächst „freiwillige CO2- Kompensationen“ durchführen wolle, ab dem Jahr 2030 dann eine Reduzierung der CO2- Kompensationen plane und ab dem Jahr 2050 Kompensationsmaßnahmen in der angegriffenen Werbung gar keine Erwähnung finden.
Praxishinweis:
Das LG Hamburg nimmt Bezug auf die kürzlich ergangene BGH-Entscheidung zu „klimaneutral“-Werbung und verweist darauf, dass mehrdeutige umweltbezogene Werbeaussagen in der Werbung selbst erläutert werden müssen, um eine Irreführung zu vermeiden. Das Landgericht betrachtete die angegriffene Werbung in ihrer Gesamtheit und beurteilte mögliche Irreführungsrisiken durch fehlende Angaben. Vorliegend schwieg die angegriffene Zeitachse zu den Klimazielen der Beklagten an entscheidenden Stellen.
Das Landgericht fällte hingegen keine Entscheidung auf den klägerseitig vorgebrachten Kritikpunkt, dass die Beklagte nicht ausreichend dargelegt habe, wie das Unternehmen das angekündigte Ziel erreichen wolle. Diese Klagebegründung greift vor auf die Empowering Consumers Richtlinie, obwohl diese noch nicht in das nationale Wettbewerbsrecht umgesetzt wurde und daher noch keine gesetzliche Wirkung entfaltet. Nach den dort vorgesehenen Regeln müssen Unternehmen bei Aussagen zu künftigen Umweltleistungen ihre konkreten Umsetzungspläne mit zeitgebundenen Zielen sowie die Ergebnisse der Überwachung dieser Pläne durch einen unabhängigen und kompetenten Dritten angeben. Diese bevorstehende Gesetzesänderung muss in Zukunft dringend bei der Außenkommunikation von unternehmenseigenen Klimazielen beachtet werden.
Entscheidung nicht rechtskräftig. Stand: 14.08.2024