BPatG zur Bindungswirkung einer vorangegangenen Entscheidung

Das BPatG hatte sich damit zu befassen, inwieweit aus einer früheren Entscheidung des BPatG über die Patentfähigkeit des Gegenstands eines Patents Bindungswirkungen für das DPMA und das BPatG bei der anschließenden Beurteilung der Patentfähigkeit der Ansprüche nach einem von der Patentinhaberin eingereichten Hilfsantrag bestehen (BPatG, Beschl. v. 07.03.2024, Az. 12 W (pat) 4/21 - Glühkerze).

Die Pateninhaberin hatte Beschwerde gegen den Widerruf des Patents durch das DPMA eingelegt. Nachdem die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung einen Hilfsantrag eingereicht hatte, hob das BPatG den Beschluss auf und verwies die Sache im Hinblick auf den Hilfsantrag an das DPMA zurück. Die Zurückverweisung stützte das BPatG auf § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG. In dem betreffenden Beschluss des BPatG finden sich auf den Seiten 13 und 14 u. a. folgende Ausführungen:

„Die nach dem Hilfsantrag geltenden Ansprüche sind zulässig, da sie den Gegenstand der Anmeldung und den Schutzbereich der erteilten Ansprüche nicht erweitern (§ 38 PatG, § 22 PatG).“

„Die Lehre des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag mit dem Merkmal H2b wird durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt.“

Nach der Zurückverweisung widerrief das DPMA das Patent. Hiergegen richtete sich die Patentinhaberin erneut mit einer Beschwerde. Das BPatG kam zu dem Schluss, dass die o. a. Ausführungen in seiner vorangegangenen Entscheidung weder für das DPMA noch für die Entscheidung des BPatG im vorliegenden Verfahren bindend seien. Eine solche Bindungswirkung ergebe sich weder aus § 79 Abs. 3 Satz 2 PatG noch aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO.  Eine Bindungswirkung aus § 79 Abs. 3 Satz 2 PatG umfasse vorliegend neben dem Tenor nur die Ausführungen der früheren Entscheidung, wonach der in der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag als neue Tatsache zu werten und ein Instanzenverlust zu vermeiden sei. Da zudem das Ermessen in der früheren Entscheidung mit einem Instanzenverlust begründet worden sei, ergebe die Auslegung der materiell-rechtlichen Ausführungen zum Hilfsantrag auf den Seiten 13 und 14, dass diese keine Anordnungen im Sinne von § 572 Abs. 3 ZPO darstellten.

Das BPatG hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG zugelassen.

Amtliche Leitsätze des BPatG

1. Ist in einem vorangegangenen Einspruchs-Beschwerdeverfahren die Sache wegen einer neuen Anspruchsfassung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen worden, ergibt sich bei einem erneuten Beschwerdeverfahren in der gleichen Sache aus § 79 Abs. 3 Satz 2 PatG nur eine Bindungswirkung mit Blick auf die rechtliche Beurteilung, die der vorangegangenen Aufhebung zugrunde lag.

2. Ausführungen zur Zulässigkeit und Patentfähigkeit der neuen Anspruchsfassung in den Entscheidungsgründen in der vorangegangenen Entscheidung sind nicht in jedem Fall nach § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO bindend. In Zweifelsfällen ist dies durch Auslegung der Ausführungen zu ermitteln.

(BPatG, Beschl. v. 07.03.2024, Az. 12 W (pat) 4/21 – Glühkerze)

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Franziska Anneken

Franziska Anneken

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