BGH zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

In der Entscheidung „Heizkörperdesign“ (v. 23.09.2021, Az. I ZB 10/21) hat sich der BGH mit der Verletzung des Anspruchs nach Art. 103 Abs. 1 GG beschäftigt, wonach den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens garantiert wird, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern.

In einem Beschwerdeverfahren über die Nichtigkeit eines Designs hatte das Bundespatentgericht der Antragstellerin nicht die Gelegenheit zur Begründung ihrer Beschwerde gegeben. Es habe nicht auf die Bitte der Antragstellerin reagiert mitzuteilen, bis wann die Beschwerdebegründung eingereicht werden könne. Dagegen habe das Gericht drei Anfragen der Designinhaberin beantwortet, ohne wiederum die Antragstellerin über die Anfragen und die Antworten des Bundespatentgerichtes in Kenntnis zu setzen. Letztlich habe das Bundespatentgericht die Antragstellerin auch nicht darauf hingewiesen, dass es entscheiden werde, ohne auf die schriftsätzlich angekündigte Beschwerdebegründung zu warten.

Nach Auffassung des BGH verletzt das Verfahren vor dem Bundespatentgericht die Antragstellerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach § 23 Abs. 5 Satz 2 DesignG, § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG.

In der Entscheidung stellt der BGH klar, dass es zur Wahrung des rechtlichen Gehörs geboten sei, dass für die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit besteht, sich im Sinne von § 23 Abs. 4 Satz 4 DesignG i. V. m. § 93 Abs. 2 PatG gegenüber dem Gericht zu äußern. Wegen des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG dürfe sich ein Gericht nicht widersprüchlich verhalten. Insbesondere dürfe das Gericht aus eigenen oder ihm zurechenbaren Fehlern keine Verfahrensnachteile ableiten und ist allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten verpflichtet.

Da das Bundespatentgericht im Beschwerdeverfahren daran gehindert ist, seine Entscheidung allein aufgrund des Zeitablaufs seit Beschwerdeeinlegung zu treffen, wenn der Beschwerdeführer zugleich mit der Beschwerdeeinlegung eine Beschwerdebegründung angekündigt und mit einem weiteren Schriftsatz um Mitteilung gebeten hat, bis wann die Beschwerdebegründung eingereicht werden kann, und das Bundespatentgericht nach den Umständen dieser Bitte auch entsprechen will, darf in einem solchen Fall der Beschwerdeführer grundsätzlich davon ausgehen, dass er Gelegenheit haben wird, seine Beschwerde vor einer Entscheidung des Bundespatentgerichts zu begründen (Fortführung von BGH, GRUR-RR 2008, 457, 458 – Tramadol – und BGH, GRUR 2013, 1276 Rn. 16 bis 18 – MetroLinien).

Einseitige Gespräche zwischen einem Beteiligten und einem Mitglied des Gerichts bergen jedenfalls dann die Gefahr einer Verletzung des Anspruchs des anderen Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs, auf ein faires Verfahren und auf Beachtung des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit, wenn nicht alle Verfahrensbeteiligte von dem Gesprächsinhalt unterrichtet werden (im Anschluss an BGH, GRUR 2012, 89 Rn. 17 – Stahlschuessel  – und BGH, GRUR 2013, 176 Rn. 23 – MetroLinien).

(Amtliche Leitsätze des BGH)

Quelle: BGH vom 23.09.2021, I ZB 10/21

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Dr. Anja Bartenbach, LL.M.

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