BGH zur Nutzung von Pseudonymen bei der Außendarstellung in sozialen Netzwerken

Der BGH hat in zwei aktuellen Entscheidungen vom 27.01.2022 zur Zulässigkeit der Nutzung eines Pseudonyms anstelle eines Klarnamens in sozialen Netzwerken entschieden Stellung genommen.

Sachverhalt und Prozessverlauf

In beiden Verfahren waren die Anspruchsteller Inhaber eines Nutzerkontos für ein weltweites soziales Netzwerk.

In dem Verfahren III ZR 3/21 wurde seitens des Kläger ursprünglich ein Pseudonym als seinen Profilnamen genutzt und dessen Konto aus diesem Grunde gesperrt. Erst nach erfolgter Änderung des Namens erfolgte eine erneute Freischaltung. Die Klage richtete sich daher darauf, künftig wieder Änderungen des von ihm in dem Netzwerk benutzten Profilnamens zu ermöglichen. Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht hatten Ansprüche des Klägers darauf zurückgewiesen.

In dem Parallelverfahren III ZR 4/21 wurde seitens der Klägerin ebenfalls ein Pseudonym genutzt. Da die Klägerin hier der Änderungsaufforderung nicht nachgekommen war, kam es zur Sperrung ihres Nutzerkontos, gegen welche sich die Klage richtet.

Hier hatte das Landgericht das Begehren der Klägerin befürwortet, das Nutzerkonto freizuschalten; das Oberlandesgericht hatte die Klage auf die Berufung hin jedoch dann in vollem Umfang zurückgewiesen.

Pseudonym vs. Pflicht zur Nutzung von Klarnamen – Unterscheidung zwischen Innenverhältnis zum Diensteanbieter und Nutzung in der Außendarstellung

Die Revisionen hatten in beiden Verfahren in der zentralen Frage Erfolg. Im Ergebnis sieht der BGH eine in allgemeinen Nutzungsbedingungen festgelegte Pflicht zur Angabe von Klarnamen als unwirksam und unzumutbar an.

Im Verfahren III ZR 3/21 hat der zuständige III. Zivilsenat entschieden, dass der Kläger seinen Profilnamen in ein Pseudonym ändern kann und ihm unter Verwendung dieses von ihm frei gewählten Profilnamens Zugriff auf die Funktionen seines Nutzerkontos zu gewähren ist.

Die entgegenstehende Bestimmung in den Nutzungsbedingungen des sozialen Netzwerks ist unwirksam, weil sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Sie ist insbesondere mit dem in § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG in der bis zum 30. November 2021 geltenden Fassung zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass der Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, nicht zu vereinbaren.

Im Innenverhältnis gegenüber dem Anbieter selbst ist zwar ein Klarname mitzuteilen, im Außenverhältnis muss jedoch eine Nutzung unter Pseudonym als zumutbare Nutzungsmöglichkeit eingeräumt werden.

Im Parallelverfahren III ZR 4/21 hat der Senat in die gleiche Richtung entschieden und eine Freischaltung sowie einen unbeschränkten Zugriff auf die Funktionen des Kontos zugunsten der Klägerin für angemessen angesehen.

Die Bestimmung zur Klarnamenpflicht ist hier ebenfalls unwirksam, wobei hier die Besonderheit dazu kam, dass ein Verbot der Nutzung dieser Klausel schon aus § 11 Satz 1 UKlaG aufgrund eines bereits vorliegenden Unterlassungsurteils des Landgerichts Berlin vom 16. Januar 2018 (16 O 341/15) in einem Verbandsklageverfahren abgeleitet werden konnte. Nach § 11 Satz 1 UKlaG ist die Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf die sich der betroffene Vertragsteil auf die Wirkung des Unterlassungsurteils beruft, als unwirksam anzusehen, soweit der verurteilte Verwender einem auf § 1 UKlaG beruhenden Unterlassungsgebot zuwiderhandelt – was hier der Fall war.

Die Klägerin konnte so auch hier von der Beklagten die Freischaltung ihres Nutzerkontos und Zugriff auf dessen Funktionen verlangen.

Die neueren Regelungen der DSGVO kamen vorliegend nicht zur Anwendung, da die streitige Einbeziehung der AGB zeitlich vor Geltung der relevanten Vorschriften der DSGVO seit dem 25. Mai 2018 lag.

(Quelle: PM des BGH zu den Urteilen vom 27. Januar 2021 – III ZR 3/21 und III ZR 4/21)

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Prof. Dr. Ingo Jung

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