BGH zur Gleichwirkung der Ausführungsform bei der äquivalenten Patentverletzung

Mit seiner Entscheidung „Kranarm“ beschäftigt sich der BGH mit der Verwirklichung der Patentansprüche durch abgewandelte, aber objektiv gleichwirkende Mittel der verletzenden Ausführungsform (BGH, Urteil vom 17.11.2020, Az. X ZR 132/18).

Bei der Klärung der Frage, ob die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent, welches einen Kranarm mit einer Befestigungsvorrichtung für Arbeitsgeräte betrifft, durch äquivalente Mittel verletzt, fasst der BGH die drei Voraussetzungen für die äquivalente Patentverletzung zusammen:

Die Ausführung müsse zunächst das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Ferner müssten seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführungsform mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Darüber hinaus müssten die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein.

Für die hier maßgebliche Frage der objektiven Gleichwirkung sei es erforderlich, den Patentanspruch darauf zu untersuchen, welche der Wirkungen, die mit seinen Merkmalen erzielt werden können, zur Lösung der zugrunde liegenden Aufgabe patentgemäß zusammenkommen müssen. Diese Gesamtheit repräsentiere die patentierte Lösung und stelle deshalb die für den anzustellenden Vergleich maßgebliche Wirkung dar. Als gleichwirkend könne eine Ausführungsform nur dann angesehen werden, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH, GRUR 2012, 1122 Rn. 26 – Palettenbehälter III).

In diesem Zusammenhang betont der BGH, dass eine Ausführungsform, die anstelle eines im Patentanspruch vorgesehenen Merkmals eine abweichende Gestaltung aufweist, nicht nur dann in den Schutzbereich eines Patents fallen würde, wenn sie die erfindungsgemäßen Wirkungen ohne jede Einschränkung erreicht. Für eine Gleichwirkung könne es vielmehr genügen, dass eine nach dem Patentanspruch erforderliche Wirkung durch abgewandelte Mittel nur in eingeschränktem Umfang erzielt wird. Unter dem Gesichtspunkt angemessener Belohnung des Erfinders könne die Einbeziehung in den Schutzbereich eines Patentes bereits dann sachgerecht sein, wenn die erfindungsgemäßen Wirkungen im Wesentlichen, also in einem praktisch noch erheblichen Maße, erzielt werden. Hierfür komme es auf die patentgemäße Wirkung und eine sich hieran orientierende Gewichtung der bei den angegriffenen Ausführungsformen festgestellten Defizite an.

Vor diesem Hintergrund reicht es in dem Streitfall nach der Auffassung des BGH für eine Gleichwirkung nicht aus, dass die Schlauchleitungen nur im weiteren Verlauf durch Bauteile des Kranarms vor äußeren Einwirkungen geschützt sind, nicht aber im Bereich des kranarmseitigen Drehgelenkes. Denn die erforderliche Wirkung des Merkmals des Patentspruchs läge darin, dass ein Schutz der Schlauchleitungen gerade in diesem Bereich des Kranarms besteht.

Amtlicher Leitsatz

Eine Ausführungsform, die anstelle eines im Patentanspruch vorgesehenen Merkmals eine abweichende Gestaltung aufweist, kann nicht ohne weiteres deshalb als gleichwirkend angesehen werden, weil der vom Patent angestrebte Schutz einer Schlauchleitung zwar nicht in dem im Patentanspruch vorgesehenen Abschnitt der Leitung erzielt wird, wohl aber in einem anderen Abschnitt.

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Dr. Anja Bartenbach, LL.M.

Dr. Anja Bartenbach, LL.M.

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