BGH zum Zurechnungszusammenhang zwischen Patentverletzung und Schaden

In der Entscheidung „Verdampfungstrockneranlage“ (Urteil v. 07.05.2024 – X ZR 104/22) fasst der BGH die grundlegenden Fragen bei der Berechnung des aus einer Patentverletzung entstandenen Schadens, insbesondere unter Berücksichtigung des Territorialitätsprinzips und des allgemein gültigen Prinzips des rechtmäßigen Alternativverhaltens, mit Blick auf die diesbezügliche Rechtsprechung zusammen.

Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin eines mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Europäischen Patents. Die Beklagte bot im Jahr 2012 einer in Schweden ansässigen Gesellschaft die Errichtung einer Wirbelschicht-Verdampfungstrockneranlage in Schweden an. Nach Errichtung der Anlage stellte die Beklagte den Kaufpreis in Rechnung und vereinnahmte die Zahlung. Das Klagepatent wurde ursprünglich auch mit Wirkung für das Königreich Schweden erteilt, ist insoweit aber im Jahr 2005 erloschen

Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem patentverletzenden Angebot und dem geltend gemachten Schaden schon aufgrund des Schutzzwecks der Norm ausgeschlossen sei.

Nach der Rechtsprechung des Senats seien bei der Berechnung des aus einer Patentverletzung entstandenen Schadens auf der Grundlage des vom Verletzer erzielten Gewinns grundsätzlich alle Gewinne zu berücksichtigen, die mit der Verletzung des Patents in ursächlichem Zusammenhang stehen (BGH v. 14.11.2023, GRUR 2024, 273 – Polsterumarbeitungsmaschine). Für einen ursächlichen Zusammenhang in diesem Sinne reiche allerdings eine adäquate Kausalität nicht aus. Vielmehr müsse auch ein innerer Zusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und dem erzielten Gewinn bestehen. Bei Gewinnen aus dem Inverkehrbringen patentgemäßer Vorrichtungen sei diese Voraussetzung erfüllt, wenn der erzielte Gewinn auf den mit dem verletzten Schutzrecht zusammenhängenden Eigenschaften des veräußerten Gegenstandes beruht. Entsprechendes gelte für Gewinne aus Zusatzgeschäften, die in Kausalzusammenhang mit der Verletzungshandlung stehen.

Gewinne aus der Durchführung eines Vertrages, der in ursächlichem Zusammenhang mit einem patentverletzenden Angebot steht, dürfen – so der BGH – bei der Berechnung des durch dieses Angebot verursachten Schadens nicht schon deshalb unberücksichtigt bleiben, weil die in Durchführung dieses Vertrages vorgenommenen Handlungen im patentfreien Ausland stattgefunden haben.

In der Regel sei der hierfür erforderliche Zusammenhang bei Gewinnen aus der Durchführung eines Vertrages, der aufgrund eines patentverletzenden Angebotes zustande gekommen ist, gegeben. Als Anknüpfungspunkt für eine Pflicht zum Schadensersatz kommen ausschließlich Verletzungshandlungen in Betracht, die im räumlichen Geltungsbereich des Patents begangen worden sind. Damit und durch die vom BGH grundsätzlich vorgenommene Begrenzung der Ersatzpflicht auf denjenigen Teil des Schadens, der in wertender Betrachtung der verletzenden Handlung zuzuordnen ist, könne dem Territorialitätsprinzip und damit dem Schutzzweck der Norm hinreichend Rechnung getragen werden.

Der BGH betont, dass es dem Geschädigten bei Vorliegen eines solchen ursächlichen Zusammenhanges grundsätzlich freistehe, seinen Schaden auch auf der Grundlage entgangenen eigenen Gewinns oder einer angemessenen Lizenzgebühr zu berechnen.

Denn der aufgrund einer Patentverletzung zu ersetzende Schaden bestehe darin, dass der Verletzer die durch das immaterielle Schutzgut vermittelten konkreten Marktchancen für sich nutzt und sie damit zugleich der Nutzung durch den Schutzrechtsinhaber entzieht.

Im Anschluss daran kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass bei einer Patentverletzung der Einwand, dasselbe wirtschaftliche Ergebnis hätte auch durch nicht patentverletzende Handlungen erzielt werden können, grundsätzlich nicht zum Ausschluss eines Schadensersatzanspruchs führen kann.

Der BGH stellt darüber hinaus klar, dass die Berechnung des Schadens auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil es in der Branche keine einschlägige Lizenzierungspraxis gibt.

Letztlich betont der BGH, dass der geringe Schutz, den ein allein das Anbieten des geschützten Erzeugnisses betreffendes Verbot bieten mag, aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Rechtsinhabers kein zureichender Grund ist, Angebote im Inhalt unentgeltlich zu gestatten und so auf einen Teil des ihm zustehenden Schutzes zu verzichten.

Quelle: Urteil v. 07.05.2024 – X ZR 104/22 – Verdampfungstrockneranlage

Zurück
Dr. Anja Bartenbach, LL.M.

Dr. Anja Bartenbach, LL.M.

ZUM PROFIL