BGH zum Klagehindernis nach § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG

Der BGH hat mit der Entscheidung „Aminopyridin“ (v. 06.12.2022, X ZR 47/22) seine Rechtsprechung bezüglich der Frage, wann ein solches Klagehindernis i. S. d. § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG vorliegt und wann es wegfällt, bestätigt und weiter konkretisiert.

Streitig war die Zulässigkeit der von der Klägerin eingereichten Nichtigkeitsklage während und nach Abschluss des Einspruchsverfahrens vor dem EPA.

Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass das Streitpatent mit dem Abschluss des Einspruchsverfahrens im Laufe des Berufungsverfahrens seine Wirkung verloren hat und damit das in § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG normierte Klagehindernis entfallen ist. Der BGH betont, dass für die Beurteilung, ob ein Klagehindernis nach § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG vorliegt, nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage abzustellen sei.

Aus Sinn und Zweck von § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG ergäben sich keine weitergehenden Beschränkungen. Die Vorschrift verfolge das Ziel, das Patentgericht von dem aufwendigen Nichtigkeitsverfahren zu entlasten, solange ein Einspruchsverfahren anhängig ist. Sie habe ferner den Zweck, einander widersprechende Entscheidungen über den Rechtsbestand eines Patents zu vermeiden. Diese Zwecke erfordern es nicht, eine Nichtigkeitsklage schon dann abzuweisen, wenn bei deren Einreichung ein Einspruch statthaft oder anhängig war. Das Patentgericht sei auch nicht gehalten, eine bei Einreichung unzulässige Klage so schnell wie möglich abzuweisen. Es sei vielmehr befugt, zumindest so lange abzuwarten, bis das Verfahren ohnehin zur Entscheidung ansteht, und ggf. in der Sache zu entscheiden, wenn das Klagehindernis bis dahin entfallen ist. Maßgeblich sei, ob das Einspruchsverfahren einen Stand erreicht habe, in dem die Gefahr widersprechender Entscheidungen oder einer unnötigen Doppelbefassung nicht mehr besteht.

Diese Zwecksetzung sei auch bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen, zu welchem Zeitpunkt das durch ein Einspruchsverfahren begründete Klagehindernis entfällt. Eine Nichtigkeitsklage dürfe deshalb nur als unzulässig angesehen werden, solange noch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sich die Gefahren, deren Vermeidung § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG dient, im konkreten Fall verwirklichen können.

Denn in einer solchen Verfahrenslage stehe fest, dass das Patent in der erteilten Fassung keinen Bestand haben wird und dass weitergehende Angriffe des Einsprechenden gegen die vom EPA als rechtsbeständig angesehene Fassung keinen Erfolg haben. Damit sei eine ausreichende Grundlage für die nachfolgende Beurteilung des Patents auf der Grundlage der geänderten Fassung der Patentansprüche in einem Nichtigkeitsverfahren geschaffen.

Weiter führt der BGH aus, dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen in der in Rede stehenden Verfahrenslage allerdings weiterhin bestünde, wenn das Patentgericht gehalten wäre, den Rechtsbestand der – formell noch in Kraft stehenden – erteilten Fassung des Streitpatents zu beurteilen, den das EPA bereits bindend verneint hat. Für eine auf dieses Ziel gerichtete Nichtigkeitsklage fehle es in der genannten Verfahrenslage aber an einem Rechtsschutzbedürfnis. Solange das angegriffene Patent formell in Kraft steht, genüge zwar das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung eines zu Unrecht erteilten, nicht schutzfähigen Patents. Hieraus ergebe sich aber nicht, dass eine Nichtigkeitsklage auch ohne jegliches Rechtsschutzbedürfnis zulässig ist. Das prozessuale Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses solle verhindern, dass Rechtsstreitigkeiten in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, für die eine solche Prüfung nicht erforderlich ist. Danach bestehe grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse daran, die erteilte Fassung eines Patents erneut zur inhaltlichen Überprüfung zu stellen, wenn aufgrund einer bindenden Entscheidung im Einspruchsverfahren feststeht, dass das Patent nur in einer bestimmten, geänderten Fassung aufrechterhalten wird.

Für die Beurteilung, ob das Klagehindernis nach § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG vorliegt, ist nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage. Hierbei sind auch Änderungen zu berücksichtigen, die erst im Laufe des Berufungsverfahrens eingetreten sind (Bestätigung von BGH, Urteil vom 19.04.2011 – X ZR 124/10, GRUR 2011, 848 Rn. 17 – Mautberechnung).

Das Klagehindernis fällt weg, wenn das Europäische Patentamt entschieden hat, dass das Patent mit einer geänderten Fassung seiner Ansprüche aufrechterhalten wird, und diese Entscheidung nicht mehr angefochten werden kann.

In dieser Konstellation ist eine Nichtigkeitsklage nur noch insoweit zulässig, als sie darauf gerichtet ist, den Rechtsbestand des Patents in weitergehendem Umfang zu beseitigen, als dies nach der bindenden Entscheidung des Europäischen Patentamts zu erwarten ist.

(Amtliche Leitsätze des BGH)

Quelle: BGH, Urteil vom 06.12.2022, X ZR 47/22

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Dr. Anja Bartenbach, LL.M.

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