BGH – Urheberrechtsverletzung durch Framing und Lizenzerteilung unter der Voraussetzung technischer Sperrmaßnahmen

Der Bundegerichtshof hat mit seinem Urteil vom 09. September 2021 - I ZR 113/18 „Deutsche Digitale Bibliothek II“ entschieden, dass Verwertungsgesellschaften die Lizenzerteilung der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke im Internet von der Ergreifung technischer Maßnahmen, die das sog. Framing unterbinden, abhängig machen dürfen. Beim sog. Framing werden auf einer Internetseite Inhalte von Dritten eingebettet, ohne dass diese Drittinhalte tatsächlich von der Internetseite bereitgestellt werden. Im Internet ist diese Methode sehr beliebt und verbreitet, z. B. bei der Einbindung von YouTube-Videos.

Sachverhalt

Klägerin in diesem Rechtsstreit war die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie betreibt als Trägerin der Deutschen Digitalen Bibliothek eine Online-Plattform für Kultur und Wissen. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz klagte gegen die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, die die urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Urheber wahrnimmt.

Um die Werke der Urheber vor Framing zu schützen, stellte die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst den Abschluss eines Nutzungsvertrages mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz unter folgende Bedingung:

„Die Lizenznehmerin verpflichtet sich, bei der Nutzung der vertragsgegenständlichen Werke und Schutzgegenstände wirksame technische Maßnahmen zum Schutz dieser Werke oder Schutzgegenstände gegen Framing anzuwenden.“

Gegen diese Bestimmung richtete sich die Klage der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Ihr ging es um die Feststellung, dass die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst auch ohne die dargelegte Regelung zum Abschluss des Nutzungsvertrages verpflichtet sei.

Entscheidung

Der BGH hat nunmehr festgestellt, dass die Einräumung einer Lizenz von einer Verwertungsgesellschaft unter die Bedingung der Gewährleistung des Schutzes der Werke vor Framing gestellt werden darf.

Zwar sei eine Verwertungsgesellschaft nach § 34 Abs. 1 Satz 1 VGG dazu verpflichtet, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen. Demgegenüber sei die Verwertungsgesellschaft jedoch ebenso verpflichtet, die Rechte der ihr zugehörigen Urheber wahrzunehmen und auch durchzusetzen.

Im Zuge der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Rechte der Urheber betroffen seien, wenn die Nutzung der Werke unter Umgehung technischer Schutzmaßnahmen erfolge. Das Framing, in der geschilderten Art und Weise, führe zu einer Verletzung des ausschließlichen Rechts des Urhebers auf öffentliche Wiedergabe gemäß § 15 Abs. 2 UrhG. Da das deutsche Urheberrecht unter Berücksichtigung der EU-Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EG) auszulegen ist, setzte der BGH das Verfahren zunächst aus, um dem EuGH die entscheidungserhebliche Frage hinsichtlich der Voraussetzungen einer „öffentlichen Wiedergabe“ vorzulegen. In diesem Vorlageverfahren bejahte der EuGH mit Urteil vom 09. März 2021 (C-392/19) eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG, sofern das Framing unter Missachtung der vom Rechtsinhaber getroffenen oder veranlassten Schutzmaßnahmen, die sich gegen das Framing richten, erfolge. Hintergrund sei, dass die technischen Schutzmaßnahmen letztlich dazu dienten, das Publikum auf die Besucher einer bestimmten Internetseite zu beschränken. Die weitergehende Zugänglichmachung auf anderen Internetseiten betreffe mithin ein neues Publikum, so dass eine neue „öffentliche Wiedergabe“ vorliege.

Bereits mit Urteil vom 21. Oktober 2014 (C-348/13) hatte der EuGH festgehalten, dass Framing in den Fällen, in denen kein neues Publikum erschlossen werde, auch keine öffentliche Wiedergabe anzunehmen sei. Entscheidend für die Frage, wann ein neues Publikum vorliegt, ist der Umstand, an wen sich der Urheber bei der erstmaligen Veröffentlichung seines Werkes gerichtet hat. Sofern die Veröffentlichung durch den Urheber ohne Zugangsbeschränkungen erfolgte, wird das Werk allen Internetnutzern zugänglich gemacht.

Fazit

Nach dem Urteil des BGH darf eine Verwertungsgesellschaft den Abschluss eines Vertrages über die Nutzung von digitalisierten urheberrechtlich geschützten Werke im Internet davon abhängig machen, dass wirksame technische Maßnahmen gegen sogenanntes „Framing“ ergriffen werden. Diese Entscheidung des BGH gewährt den Verwertungsgesellschaften trotz des Abschlusszwanges gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 VGG einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der Verhandlung von Lizenzen. Zur weiteren Klärung hat der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit zunächst an das Berufungsgericht zurückverwiesen und darauf hingewiesen, dass bei der weiteren Prüfung auf die typische auf Rechtswahrung gerichtete Interessenlage der von der Beklagten vertretenen Urheberrechtsinhaber abzustellen ist.

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Prof. Dr. Ingo Jung

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