BGH – Nichtigkeitsstreitwert IV

In einem Beschluss vom 14.12.2021 (Az: X ZR 26/20) hat sich der BGH mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen der Streitwert eines Nichtigkeitsverfahrens innerhalb des Instanzenzuges korrigiert werden kann.

Der Streitwert eines Nichtigkeitsverfahrens, das von einem Patentverletzer parallel zu der Erhebung einer gegen ihn gerichteten Nichtigkeitsklage eingereicht wird, wird regelmäßig von dem Wert des Streitwerts im Verletzungsverfahren abgeleitet. Regelmäßig wird auf letztgenannten Streitwert ein Aufschlag von 25 % gemacht.

In dem entschiedenen Fall war erstinstanzlich vom Bundespatentgericht ein Streitwert von knapp 14 Millionen Euro zugrunde gelegt worden. In der Berufungsinstanz hatte der BGH den Streitwert für beide Instanzen unter Berufung auf ein zweites auf das Patent gestützte Verletzungsverfahren hochgesetzt, in dem Schadenersatz aus dem Patent gefordert wurde, der den bisherigen Streitwert im Nichtigkeitsverfahren überstieg. Die Beklagte wehrte sich gegen die Streitwertfestsetzung durch den BGH im Wege einer Gegenvorstellung. Der BGH blieb bei seiner Festsetzung.

Für die Festsetzung des Streitwerts im Patentnichtigkeitsverfahren sind Wertänderungen, die nach Erhebung der Klage bzw. Einlegung des Rechtsmittels eingetreten sind, grundsätzlich unerheblich. Zu berücksichtigen sind jedoch Erkenntnisquellen, die zwar erst nach dem maßgeblichen Stichtag zutage getreten sind, aber ein neues Licht auf die Wertverhältnisse an diesem Tag werfen (Leitsatz a der Entscheidung).

Für den Wert des Streitpatents war nach Auffassung des BGH bereits bei Erhebung der Nichtigkeitsklage von Bedeutung, dass aus dem Patent Ansprüche gegen die Nichtigkeitsklägerin geltend gemacht werden konnten, auch wenn diese zum Zeitpunkt der Erhebung der Nichtigkeitsklage noch nicht beziffert waren. Der Wert dieser Ansprüche sei deshalb bereits für den erstinstanzlichen Streitwert des Nichtigkeitsverfahrens maßgeblich. Dass seine volle Höhe erst durch die Bezifferung des Schadenersatzanspruchs zutage getreten ist, habe nicht zu einer Wertänderung geführt, sondern nur eine neue Erkenntnisquelle zur Verfügung gestellt. Insofern stellte der BGH also eine objektive retrospektive Betrachtung auch für die erste Instanz an.

Darüber hinaus fragte sich, ob der Streitwert des Berufungsverfahrens geringer anzusetzen war, weil das Patent erstinstanzlich in eingeschränktem Umfang aufrechterhalten wurde und Streitgegenstand in der Berufung nur noch der Teil der Klage war, mit dem die Nichtigkeitsklägerin durchgedrungen war.

Wenn in der Berufungsinstanz des Nichtigkeitsverfahrens nicht mehr über den gesamten erstinstanzlichen Streitgegenstand zu entscheiden ist, kann es angezeigt sein, für die zweite Instanz einen niedrigeren Streitwert festzusetzen. Eine solche Reduzierung ist jedoch in der Regel nicht angemessen, wenn die Unterschiede im Streitgegenstand weder für ein anhängiges oder bereits abgeschlossenes Verletzungsverfahren noch für den sonstigen Wert des Streitpatents von erkennbarer Bedeutung sind (Leitsatz b der Entscheidung).

Im Streitfall war für den BGH nicht ersichtlich, dass die von der Klägerin nicht angefochtene teilweise Abweisung der Nichtigkeitsklage relevante Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten im Verletzungsrechtsstreit oder auf den sonstigen Wert des Streitpatents hatte.

Aus der Entscheidung ist zu entnehmen, dass ein Streitwert auch noch einer retrospektiven Korrektur unterzogen werden kann. Letztlich bleibt damit Raum für die Berücksichtigung aller bis zum Ende des Nichtigkeitsverfahrens erhobener Ansprüche aus dem Patent.

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Dr. Martin Quodbach, LL.M.

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