Aachener Printen, Frankfurter Grüne Soße oder Kölsch – allesamt eingetragene geografische Angaben, die dem Erzeuger bestimmte Schutzmechanismen an die Hand geben und damit auch zum Erhalt und dem wirtschaftlichen Wert der Bezeichnung beitragen. Zukünftig soll dieser Schutz auf Unionsebene nicht mehr nur Lebensmitteln und Getränken zugutekommen, sondern auch handwerklich und industriell hergestellten Erzeugnissen, deren Eigenschaften wesentlich mit ihrem Erzeugungsgebiet zusammenhängen, z. B. böhmisches Glas, Porzellan aus Limoges, Donegal-Tweed oder Schneidwaren aus Solingen.
Zum Hintergrund
Geografische Angaben begründen Rechte des geistigen Eigentums an bestimmten Erzeugnissen, deren Eigenschaften wesentlich mit ihrem Erzeugungsgebiet zusammenhängen. Während geografische Angaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse – wie beispielsweise „Prosciutto di Parma“ und „Champagner“ – auf Ebene der Europäischen Union schon seit Langem geschützt sind, gab es bislang noch keinen unionsweiten einheitlichen Schutz für geografische Angaben für Bezeichnungen von handwerklichen und gewerblichen Erzeugnissen, wie „Murano-Glas“ oder „Solinger Schneidwaren“.
Viele Mitgliedstaaten haben nationale Schutzsysteme für diesen Bereich entwickelt, die sich jedoch unter anderem hinsichtlich ihres Schutzumfanges und der Durchsetzungsmöglichkeiten erheblich voneinander unterscheiden. In anderen Mitgliedstaaten fehlten derartige Regelungen bislang gänzlich, eine Verteidigung war allenfalls über Marken und/oder wettbewerbsrechtliche Vorschriften möglich. Auch fehlte im Binnenmarkt ein grenzüberschreitendes System zur wechselseitigen Anerkennung nationaler Schutzsysteme.
Auf Unionsebene bestand für Hersteller zwar grundsätzlich die Möglichkeit, Individualmarken, Kollektivmarken oder Gewährleistungsmarken einzutragen. Durch einen solchen Markenschutzkonnte jedoch nicht die Besonderheit des Zusammenhangs zwischen Qualität und geografischem Ursprung der so gekennzeichneten Produkte abgedeckt werden, der auf Eigenschaften hindeutet, die spezifischen lokalen Fertigkeiten und Traditionen zugeschrieben werden.
Dieser „Flickenteppich“ an nationalen Schutzrechten führte zu Unterschieden beim Schutz geografischer Angaben für handwerkliche und gewerbliche Erzeugnisse. Für die Hersteller bzw. Erzeuger sorgte diese Fragmentierung zudem für erhebliche Rechtsunsicherheit und erschwerte die Erlangung und Durchsetzung etwaiger Rechte. Insbesondere für kleinere Erzeuger gestaltete sich die Bewahrung lokaler Fertigkeiten und Traditionen daher schwierig.
Zur Verordnung
Die neue Verordnung über den Schutz geografischer Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse (VO (EU) 2023/2411), die bereits am 18. Oktober 2023 unterzeichnet wurde und deren Regelungen weitestgehend ab dem 1. Dezember 2025 gelten, soll dieser Situation Rechnung tragen und zukünftig einen einheitlichen unionsweiten unmittelbar geltenden Schutz bieten für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse (z.B. Schmuck, Textilien, Glas, Porzellan usw.), der den bestehenden Schutz für geografische Angaben im Agrarbereich ergänzt.
Die Verordnung soll die Position der Erzeuger beim Schutz ihrer handwerklichen und industriellen Erzeugnisse in der gesamten Union vor Fälschungen verbessern und damit zugleich auch die zugrundeliegenden Fachkenntnisse, Traditionen und auch die kulturelle Identität, die diese Erzeugnisse verkörpern, bewahren. Gleichzeitig erhofft man sich Anreize für Investitionen in diese Erzeugnisse zu schaffen und die Sichtbarkeit echter handwerklicher und industrieller Erzeugnisse zu erhöhen und das Vertrauen der Verbraucher in diese Produkte zu stärken.
Herstellern von durch eine eingetragene g.A. gekennzeichneten handwerklichen und gewerblichen Erzeugnissen wird zukünftig gestattet, auf ihren Erzeugnissen das offizielle Symbol für eine „geschützte geografische Angabe“ zu verwenden. Dieses Logo soll Verbraucher in die Lage versetzen, handwerkliche und gewerbliche Erzeugnisse mit bestimmten Merkmalen im Zusammenhang mit ihrer geografischen Herkunft zu identifizieren, um beim Kauf dieser Erzeugnisse fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Anwendungsbereich
Die Verordnung soll für „handwerkliche und industrielle Erzeugnisse“ gelten. Als „handwerkliche Erzeugnisse“ gelten solche, die vollständig von Hand gefertigt wurden oder mithilfe von Handwerkzeugen oder digitalen Werkzeugen oder mechanischen Mitteln, vorausgesetzt der manuelle Beitrag bildet einen wichtigen Bestandteil des Fertigerzeugnisses. Als „industrielle Erzeugnisse“ gelten solche, die standardisiert – auch in Serienfertigung – und unter Verwendung von Maschinen hergestellt werden.
In der Praxis dürfte dies grundsätzlich einen relativ großen Anwendungsbereich eröffnen, umfasst dürften damit beispielsweise Holzwaren, Schmuck, Textilien, Spitze, Schneidwaren, Glas oder Porzellan sein.
Darüber hinaus müssen die Erzeugnisse jedoch auch noch die folgenden Kriterien erfüllen:
- sie müssen aus einem bestimmten Ort, einer bestimmten Region oder einem bestimmten Land stammen;
- die Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft des Erzeugnisses muss im Wesentlichen auf seinen geografischen Ursprung zurückzuführen sein; und
- wenigstens einer der Produktionsschritte muss innerhalb des abgegrenzten geografischen Gebiets erfolgen.
Zum Antragsverfahren
Ab dem 1. Dezember 2025 wird es möglich sein, die Eintragung der Bezeichnungen, die die erforderlichen Anforderungen erfüllen, zu beantragen.
Das Prüfungs- und Eintragungsverfahren soll in der Regel – wie auch bei Erzeugnissen aus dem Agrarbereich – zwei Phasen umfassen:
- Die Hersteller reichen ihre Anträge auf Eintragung einer geografischen Angabe zunächst bei den benannten zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zur Prüfung auf nationaler Ebene ein (nationale Phase)
- Die nationalen Behörden werden dann erfolgreiche Anträge zur weiteren Bewertung und Genehmigung an das EUIPO senden (Unionsphase)
Für Erzeuger aus Deutschland ist folglich das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) die zuständige nationale Behörde. Ein direktes Anmeldeverfahren beim EUIPO steht lediglich den Herstellern aus den Mitgliedstaaten offen, die von der Kommission eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Einrichtung eines nationalen Systems erhalten.
Was geschieht mit bestehenden nationalen geografischen Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse?
Da durch die Verordnung ein einheitliches Schutzsystem auf Unionsebene geschaffen wird, besteht genaugenommen kein Bedarf mehr für gesonderte nationale Schutzrechte. Zum 2. Dezember 2026 endet daher grundsätzlich der Schutz nationaler spezifischer Rechte (vgl. Art. 70 Abs. 1 VO 2023/2411).
Um die Inhaber dieser Rechte jedoch nicht schutzlos zu stellen, besteht die Möglichkeit, den spezifischen nationalen Schutz in ein unionsweites Recht umzuwandeln. Voraussetzung ist jedoch ein entsprechender Antrag des jeweiligen Mitgliedstaats gem. Art. 70 Abs. 2 der Verordnung. Sollte ein solcher Antrag nicht fristgerecht gestellt werden, würde das Schutzrecht jedoch entfallen. Um dies zu vermeiden, sollten Inhaber bestehender Schutzrechte frühzeitig in den entsprechenden Abstimmungsprozess eintreten.
Umsetzung auf nationaler Ebene
Die Regelungen der Verordnung erfordern auf nationaler Ebene Anpassungen der bestehenden Normen, unter anderem im Markengesetz. Ein Gesetzesentwurf liegt bereits vor, dieser ist jedoch in einigen Punkten noch lückenhaft.
Ausblick
Grundsätzlich dürfte die Verordnung dazu beitragen, die Position von Erzeugern bzw. Herstellern von handwerklichen und industriellen Erzeugnissen zu stärken. Wünschenswert wäre dies in jedem Falle, insbesondere auch angesichts der in diesen Erzeugnissen vielfach verkörperten besonderen Traditionen und Fähigkeiten.
Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die vorgegebenen Prozesse und Regelungen sich in der Praxis tatsächlich bewähren werden, insbesondere auch für kleinere Erzeugergemeinschaften, die in der Regel über weniger Ressourcen verfügen. Entscheidend wird es dabei natürlich auch auf die nationalen Regelungen ankommen, der weitere Gesetzgebungsprozess bleibt daher mit Spannung abzuwarten.
Erzeuger, für die ein solches Schutzrecht in Frage kommt, sollten sich frühzeitig mit den Einzelheiten der Antragstellung befassen, da die Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen in der Regel einige Zeit in Anspruch nimmt.