Verpflichtung zur Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde stellt eine Holschuld dar

Das OLG Frankfurt stellte mit Beschluss vom 30.05.2022 (Az. 22 W 22/22) klar, dass es sich bei der Verpflichtung zur Herausgabe einer Bankbürgschaft um eine Holschuld handelt. Hat der Auftraggeber zur Absicherung von Vergütungsansprüchen eine Bankbürgschaft an den Auftragnehmer übergeben, muss er diese nach Erfüllung aller Vergütungsansprüche abholen.

Sachverhalt

Zur Sicherung von Vergütungsansprüchen hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Bankbürgschaft übergeben. Nach Abschluss der Arbeiten und Erledigung aller Vergütungsansprüche hat der Auftraggeber den Auftragnehmer mehrmals vergeblich zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde aufgefordert. Der Auftraggeber erhob sodann Klage auf Herausgabe der Urkunde beim zuständigen Landgericht. Der Auftragnehmer hat die Klageforderung sofort anerkannt und beantragt, dem Auftraggeber die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Als Begründung trug er vor, dass er durch die Aufforderungsschreiben des Auftraggebers nicht in Verzug geraten ist. Der Auftraggeber wandte hiergegen ein, dass in der Bürgschaftsurkunde eine abweichende Vereinbarung hinsichtlich der Rückgabe der Urkunde vereinbart wurde. Das Landgericht teilte diese Ansicht nicht und legte dem Auftraggeber die Kosten des Rechtsstreits auf. Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Auftraggebers, mit der er beantragte, die Kosten des Rechtsstreits dem Auftragnehmer aufzuerlegen.

Entscheidung

Ohne Erfolg. Die sofortige Beschwerde wurde zurückgewiesen, sodass der Auftraggeber die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Der Auftragnehmer hat keine Veranlassung zur Klage gegeben, da er durch die vorgerichtlichen Schreiben des Auftraggebers nicht in Verzug geraten ist. Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1. Abs. 4 BGB kommt ein Schuldner in Verzug, wenn er eine fällige Leistung trotz Mahnung schuldhaft nicht erbringt. Dabei bedarf es einer Mahnung nach Fälligkeit der Leistung. Soweit Mitwirkungshandlungen des Gläubigers erforderlich sind, tritt Verzug ferner nur dann ein, wenn diese seitens des Gläubigers vorgenommen oder angeboten werden.

Bei der Verpflichtung des Auftragnehmers zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde handelt es sich um eine Holschuld. Hieraus folgte für den Auftragnehmer die Pflicht, die Bürgschaftsurkunde zur Abholung bereitzuhalten und im Rahmen der Abholung herauszugeben. Der Auftraggeber hatte hingegen die Pflicht, seinen Abholwillen kundzutun und die Leistung abzuholen. Dies ist hier nicht geschehen. Mit den vorgerichtlichen Schreiben hat der Auftraggeber lediglich zur Herausgabe der Urkunde aufgefordert. Es wurde weder eine Abholung angekündigt noch ein Abholversuch unternommen.

Eine Schickschuld wurde hier weder ausdrücklich noch konkludent von den Parteien vereinbart. Eine solche Vereinbarung ergab sich auch nicht aus Ziff. 5 der Bürgschaftsurkunde, wonach der Gläubiger verpflichtet ist, die Bürgschaftserklärung der Bank zurückzugeben, sobald die Bürgschaft erloschen ist. Zur Begründung wurde seitens des Gerichts ausgeführt, dass es sich bei dem Bürgschaftsvertrag um einen einseitig verpflichtenden Vertrag zwischen dem Bürgen und dem Auftragnehmer handelt. Dieser regelt die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien untereinander und nicht diejenigen der Hauptschuld. Die Ziff. 5 der Bürgschaftsurkunde regelt die Rückgabepflicht des Auftragnehmers gegenüber dem Bürgen und nicht die Pflicht des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber.

Praxis

Sollten die Parteien eine abweichende Regelung hinsichtlich der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde treffen wollen, ist darauf zu achten, dass diese eindeutig und klar formuliert ist, um Missverständnisse von vornherein auszuräumen. Enthält die Bürgschaftsurkunde keine abweichende Regelung, sollte derjenige, der einen Anspruch auf die Herausgabe der Bürgschaft hat, seinen Abholwillen ausdrücklich und rechtzeitig kundtun und im Zweifel die Bürgschaft selbst abholen.

Zurück
Dr. Carolin Dahmen

Dr. Carolin Dahmen

T: +49 221 95 190-64
ZUM PROFIL