Auch wenn der Auftragnehmer keine konkrete Vertragsfrist verletzt, ist eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B dennoch zulässig, wenn er einem wirksamen Abhilfeverlangen des Auftraggebers – zur Aufstockung des Personals sowie von Sachmitteln – nicht nachkommt. Dies gilt insbesondere bei einer notleidenden Bauausführung, so das OLG Naumburg (Urteil vom 04.03.2025 – 2 U 53/24).
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Bauunternehmen, wird vom beklagten Land mit der Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes beauftragt. Nach wiederholten Verzögerungen, Mängelrügen und Mahnungen aufgrund zu geringen Personaleinsatzes erklärt das Land die (unwirksame) Teilkündigung. Die Klägerin weigert sich, weitere, nicht gekündigte Leistungen auszuführen. Nach erneuter erfolgloser Fristsetzung kündigt das Land den gesamten Vertrag. Die Klägerin fordert daraufhin Vergütung für nicht ausgeführte Arbeiten und stützt ihren Vortrag auf das Vorliegen einer „freien Kündigung“. Das Land tritt dem entgegen und behauptet, es handele sich um eine Kündigung aus wichtigem Grund. Das LG weist den Vergütungsanspruch der Klägerin ab. Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin.
Entscheidung
Ohne Erfolg! So die Auffassung des OLG Naumburg (Urteil vom 04.03.2025 – 2 U 53/24). Das Land habe den Vertrag wirksam aus wichtigem Grund gekündigt. Die Klägerin habe zwar keine konkrete Vertragsfrist i. S. d. § 5 Abs. 1, Abs. 2 VOB/B verletzt. Allerdings hat sie nach einer unwirksamen Teilkündigung durch das Land ihre Arbeiten unberechtigt vollständig eingestellt und sich geweigert, nicht gekündigte Leistungen weiter zu erbringen. Damit ist die Klägerin einem wirksamen Abhilfeverlangen i. S. d. § 5 Abs. 3 VOB/B nicht nachgekommen, wodurch eine Nachfristsetzung durch das Land ausnahmsweise entbehrlich war, vgl. § 5 Abs. 4 VOB/B. Die allgemeinen Befugnisse des Landes wurden zudem wegen einer notleidenden Bauausführung durch § 5 Abs. 3 VOB/B dahin erweitert, dass es von der Klägerin eine Änderung des bisherigen personellen und sachlichen Einsatzes im Sinne einer Aufstockung verlangen darf, und zwar so weit, dass durch die verlangte Abhilfe eine hinreichende Gewähr gegeben ist, dass das bisher Versäumte nachgeholt wird und der weitere Baufortgang zeitgerecht im Rahmen der Ausführungsfristen verläuft. Indem die Klägerin dem Verlangen, die Baustelle hinreichend mit Arbeitskräften, Geräten und Stoffen auszustatten, nicht nachkam und zusätzlich bedingte, ihre Leistungen nur bei Rücknahme der Teilkündigung und Zahlung einer (zweifelhaften) Abschlagsforderung fortzusetzen, war das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung zerstört.
Praxishinweis
Bei stockendem Bauablauf sollten öffentliche und private Auftraggeber nicht zögern, frühzeitig ein förmliches Abhilfeverlangen nach § 5 Abs. 3 VOB/B zu stellen – etwa mit der Aufforderung zur Personal- und Geräteaufstockung. Kommt der Auftragnehmer dem nicht nach, kann dies auch ohne konkrete Fristüberschreitung eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B rechtfertigen. Umgekehrt sollten Auftragnehmer auf solches Verlangen unverzüglich reagieren – nicht nur zur Vermeidung von Vertragsstrafen, sondern auch zur Wahrung ihrer Vergütungsansprüche.