Dem Auftraggeber, der aufgrund von Mängeln zunächst die Minderung erklärt, steht es frei, die Wahl seines Mängelrechts nachträglich zu ändern und stattdessen Kostenvorschuss für die erforderlichen Mängelbeseitigungskosten zu verlangen. Dies hat der BGH mit Urteil vom 22.08.2024 (Az. VII ZR 68/22) entschieden.
Sachverhalt
Die Parteien sind über einen Vertrag betreffend die Errichtung eines Wohnhauses verbunden. Der Auftraggeber (AG) macht gegenüber dem Auftragnehmer (AN) Schallschutzmängel geltend und erklärt die Minderung des Verkehrswerts aufgrund der Mängel i. H. v. 20.000,00 €. Diesen Betrag macht er im Werklohnprozess des AN widerklagend geltend. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens stellt der gerichtlich bestellte Sachverständige fest, dass eine Minderung des Verkehrswerts ausscheidet. Daraufhin weist das Gericht die Widerklage ab. Im Berufungsverfahren ändert der AG seine Widerklage und verlangt nunmehr Kostenvorschuss für die Beseitigung der Schallschutzmängel.
Entscheidung
Der BGH stellt klar, dass dem AN ein Vorschussanspruch gemäß § 637 Abs. 3 BGB für die Beseitigung der Schallschutzmängel zustehe. Ein solcher sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil der AG wegen dieser Mängel zunächst die Minderung erklärt hat. Dem AG stehe es frei, sein Begehren von einem Minderungs- auf einen Vorschussanspruch umzustellen. Es existierte bereits keine gesetzliche Regelung, die eine solche Umstellung ausschließt. Mit der Minderung bringe der AG zum Ausdruck, das Werk behalten zu wollen. Dem stehe eine spätere Rückgängigmachung des Vertrags durch Rücktritt oder Schadenersatz statt der ganzen Werkleistung entgegen. Auf der anderen Seite ergebe sich aus der gesetzlichen Regelung des § 281 Abs. 4 BGB, dass die Geltendmachung von Schadenersatz statt der Leistung oder Minderung lediglich den Anspruch auf Nacherfüllung, nicht aber das Recht auf Selbstvornahme und den Kostenvorschuss hierfür ausschließt. Ein umfassender Ausgleich des durch den Mangel verletzten Leistungsinteresses sei nur gewährleistet, wenn der AG auch nach Geltendmachung von Schadenersatz statt der Leistung sich noch für die Selbstvornahme zur Beseitigung des Mangels entscheiden und den hierfür erforderlichen Vorschuss verlangen kann. Diese Wertung gelte auch im Verhältnis zwischen Minderung und Kostenvorschussanspruch. Damit beschränke sich die Gestaltungswirkung der Minderung auf den Ausschluss der Nacherfüllung und der Rückabwicklung des Vertrags. Sie nehme dem AG, der das mangelhafte Werk behält, allerdings nicht das Recht, sein Leistungsinteresse durch Selbstvornahme mit Kostenerstattung – sei es im Wege des Schadenersatzes, sei es nach § 637 BGB – später noch in vollem Umfang durchzusetzen.
Praxishinweis
Die bislang herrschende Auffassung, dass durch die Minderungserklärung eine abschließende Rechtslage gestaltet werde, wurde mit der Leitsatzentscheidung des BGH aufgehoben. Nunmehr ist ein Wechsel zu einem anderen Mängelanspruch grundsätzlich möglich. Dies kann auch der neueren BGH Rechtsprechung betreffend die fiktiven Mängelbeseitigungskosten (IBR 2018, 196) entnommen werden, wonach dem AG grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen den in § 634 BGB genannten Mängelrechten zusteht. Insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden muss es dem AG möglich sein, den Vorschussanspruch geltend zu machen, wenn eine Minderung mangels Minderwerts der Höhe nach nicht in Betracht kommt.