Erstattung von Mehrkosten zur Fertigstellung eines Bauvorhabens nur nach (konkludenter) Kündigung des Bauvertrages!

Will der Bauherr die Kosten einer Ersatzvornahme geltend machen, so muss er auch im Falle einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung des Auftragnehmers zumindest konkludent zum Ausdruck bringen, dass er den Vertrag beenden will. Dies hat das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 30.12.2020 (Az. 10 U 202/20) entschieden und hiermit gleichzeitig an die Rechtsprechungsänderung des BGH angeknüpft.

Sachverhalt

Die Klägerin hat die Beklagte, die ein Unternehmen im Bereich des Metall- und Sondermaschinenbaus betreibt, mit Schlosserarbeiten zur Herstellung einer Fluchttreppe sowie zur Fertigung von Werkstattzeichnungen beauftragt. Dem Vertrag lag die VOB/B zugrunde. Die Fertigstellung des Bauprojekts war zum 25.05.2018 vorgesehen. Zwischen den Parteien entstand Streit über die Vollständigkeit der gefertigten und vorgelegten Werkstattzeichnungen. In Konsequenz beglich die Klägerin die hierfür gestellte Abschlagsrechnung nicht. Vielmehr wurde die Beklagte mit Schreiben des von der Klägerin beauftragten Architekten auf den unterbliebenen Ausführungsbeginn hingewiesen und unter Fristsetzung zur Vorlage vollständiger Werkstattpläne aufgefordert. Dies veranlasste die Beklagte schließlich zu einer unberechtigten Kündigung aus wichtigem Grund. Hierauf reagierte die Klägerin durch Anwaltsschreiben unter dem 25.05.2018 mit der Mitteilung, dass kündigungsbedingte Mehrkosten entstanden seien, verbunden mit der vergeblichen Aufforderung zur Abgabe eines Haftungsanerkenntnisses. Sodann beauftragte die Klägerin ein Drittunternehmen mit der Durchführung der ursprünglich an die Beklagte vergebenen Aufgaben. Die Differenz zwischen den Auftragssummen im Vertrag mit dem Drittunternehmer und der Beklagten i. H. v. rd. 40.000,00 EUR machte sie mit ihrer Klage vor dem Landgericht geltend. Erst im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens erklärte sie gegenüber der Beklagten ausdrücklich die Kündigung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Klägerin den Bauvertrag erst lange nach Beauftragung des Drittunternehmers schriftlich gekündigt habe. Vorgelagerte Beendigungserklärungen seien nicht ersichtlich. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung. Sie ist der Ansicht, wegen der Erfüllungsverweigerung und der eigenen Kündigung durch die Beklagte bedurfte es keiner zusätzlichen Kündigungserklärung ihrerseits.

Entscheidung

Das OLG Stuttgart spricht der Klägerin die durch die Ersatzvornahme geltend gemachten Mehrkosten der Fertigstellung nach § 4 Nr. 7, § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B zu.

Zwar mache, entgegen der Ansicht der Klägerin, die in der unberechtigten Kündigung der Beklagten liegende ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung eine Kündigungserklärung der Klägerin nicht entbehrlich. Dies stellte der BGH in Abkehr zu seiner bisherigen Rechtsprechung klar, indem er ausführte, dass der aus der Weigerungshaltung resultierende Verlust des Rechts des Auftragnehmers auf Vertragserfüllung nicht das Recht des Auftraggebers beschränke, auf Erfüllung zu bestehen und ggf. Erfüllungsklage zu erheben (BGH, Urteil vom 14.11.2017, VII ZR 65/14). Damit sei auf Seiten des Auftraggebers ein Verhalten erforderlich, das dem mit der Regelung verfolgten Zweck, klare Verhältnisse zu schaffen, gerecht wird und darauf schließen lässt, dass der Vertrag mit dem Auftragnehmer beendet werden soll. Erforderlich sei demnach weiterhin grundsätzlich eine schriftliche Kündigungserklärung des Auftraggebers, § 8 Nr. 3 Abs. 1 Nr. 5 VOB/B.

Das OLG legte jedoch das anwaltliche Schreiben zur Aufforderung eines Haftungsanerkenntnisses als konkludente Kündigungserklärung der Klägerin aus. Hierdurch werde deutlich, dass sie von der Beklagten keine Werkleistungen, sondern vielmehr einen finanziellen Ausgleich für den ihr entstandenen Schaden durch die Nichterfüllung der Beklagten erwartet, § 281 Abs. 4 BGB. Durch die konkludente Auftragsentziehung sollte das Rechtsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis überführt werden. Auf die im späteren Prozess erklärte Kündigung komme es somit nicht mehr an.

Weiter ergebe sich der Kündigungsgrund hier aus § 5 Abs. 4 VOB/B verbunden mit dem Rechtsgedanken des § 323 Abs. 4 BGB. Angesichts der Kündigungserklärung der Beklagten und des Umstands, dass diese im Anschluss bis zum 25.05.2018 keinerlei Bemühungen im Hinblick auf die Werkleistung mehr erbracht hat, konnte eine konkludente Auftragsentziehung durch die Klägerin bereits vor Ablauf des Fertigstellungstermins erfolgen. Zudem sei aufgrund der Erfüllungsverweigerung eine Fristsetzung zur Vertragserfüllung ausnahmsweise entbehrlich gewesen.

Praxishinweis

Erst kündigen, dann handeln! Andernfalls gestaltet sich die Anspruchsdurchsetzung so schwierig wie in der vorliegenden Entscheidung des OLG Stuttgart. Erst eine Auslegung der auftraggeberseitigen Erklärung verhalf der Klägerin zum Erfolg. In der Praxis wird die Bauvertragskündigung oftmals übersehen. Ihr Sinn und Zweck besteht in der Vermeidung paralleler Auftragsverhältnisse, um damit verbundenen unklaren Haftungsverhältnissen zu entgehen. Sie ist damit unerlässliche Voraussetzung für den Anspruch auf Erstattung von Mehrkosten einer Ersatzvornahme und sollte vom Bauherrn eindeutig kommuniziert werden. Dies gilt auch hinsichtlich der Entbehrlichkeit einer vorherigen Fristsetzung zur Vertragserfüllung, auf die im Zweifelsfall vorsorglich nicht verzichtet werden sollte.

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Viktoria Rother

Viktoria Rother

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