Das OLG Schleswig zur Kündigung aus wichtigem Grund

Das OLG Schleswig hat mit Urteil vom 10.11.2021 entschieden, dass eine mündlich erklärte Kündigung in einem VOB-Vertrag unwirksam ist, jedoch eine formunwirksame Kündigungserklärung in ein Angebot zur Vertragsaufhebung umgedeutet werden kann, wenn es dem mutmaßlichen Willen der die Kündigung erklärenden Partei entspricht. Eine Bedenkenanmeldung des Auftragnehmers gegen die Art der Ausführung und die Ablehnung der Gewährleistung insoweit, berechtigt den Auftraggeber nicht zur Kündigung aus wichtigem Grund.

Sachverhalt

Die Parteien haben einen Werkvertrag über die Sanierung eines Industriefußbodens einer Werkshalle abgeschlossen. Gegenstand der angebotenen und vereinbarten Arbeiten war insbesondere die Vorbereitung der Bodenfläche, die Prüfung der Oberfläche auf die Haftzugfestigkeit sowie die Beschichtung mit einem Industrie-Estrich (induTEX-50). Die Parteien vereinbarten überdies die Geltung der VOB/B. Bei der Oberflächen-Haftzugprüfung der Betonoberflächen stellte sich eine tiefergehende Schädigung des Betons heraus. Mit Schreiben vom 07.05.2019 teilte der Auftragnehmer dem Auftraggeber mit, dass der angebotene Industrieboden im Verbund aufgrund der nicht ausreichenden Oberflächenhaftzugwerte nicht herzustellen sei. Außerdem fügte er ein geändertes Angebot bei, das den entsprechenden Vorbedingungen angepasst war. Das neue Angebot war teurer als das ursprünglich gelegte Angebot. Der Auftraggeber lehnte das Angebot ab, erklärte mündlich die Kündigung des Vertrages. Der Auftragnehmer bestätigte die Kündigung schriftlich. Sodann machte der Auftragnehmer klageweise Werklohn nach den Maßgaben des § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B geltend. Der Auftraggeber meint, es handele sich um eine Kündigung aus wichtigem Grund. Ein Anspruch auf die eingeklagte Vergütung bestünde nicht.

Entscheidung

Zunächst stellt das OLG Schleswig in seiner Entscheidung heraus, dass die erklärte mündliche Kündigung wegen der zwingenden Schriftform nach § 8 Abs. 6 VOB/B i. V. m. § 125 Satz 1 BGB nichtig ist. Indes führte das OLG Schleswig aus, dass sich die Kündigung in ein Angebot zur Vertragsaufhebung nach § 140 BGB umdeuten lässt, weil es dem mutmaßlichen Willen der Parteien entsprach, das Vertragsverhältnis zu beenden. Dies ergäbe sich gerade aus dem Umstand, dass der schriftlichen Bestätigung der Kündigung nicht widersprochen worden sei.

Außerdem hebt das Gericht hervor, dass der Auftragnehmer einen Anspruch auf die restliche Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B hat. Die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund lägen nicht vor. Eine Kündigung aus wichtigem Grund setzt in jedem Fall eine schwere Vertragsverletzung des Auftragnehmers voraus. Dies kann insbesondere in einem schuldhaften Verhalten des Vertragspartners liegen, sodass der Vertragszweck derart gefährdet ist, dass es der vertragstreuen Partei unzumutbar ist, den Vertrag fortzusetzen (vgl. Ingenstau/Korbion-Joussen/Vygen, VOB, 21. Auflage, § 8 Abs. 3 VOB/B).

Die Anmeldung von Bedenken stellt eine vertragliche Pflicht des Auftragnehmers dar. Der Auftragnehmer hat weiter ein neues Angebot gelegt, um den Vertrag fortsetzen zu können. Die erhöhten Kosten waren gerade nicht auf ein Verschulden des Auftragnehmers zurückzuführen, sondern auf die festgestellte Beschaffenheit des Industriebodens. Dieser musste zunächst durch Sonderfachleute geprüft werden. Daher war der Auftragnehmer nicht vor Vertragsschluss dazu fähig, die notwendigen Arbeiten abschließend zu benennen. Folglich konnte der Auftraggeber vorliegend nicht davon ausgehen, dass das Angebot in jedem Fall umgesetzt wird.

Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG Schleswig zeigt, dass die Einhaltung der Regelungen aus der VOB/B für die Abwicklung von Verträgen elementar ist. Gerade im Zusammenhang mit Kündigungen aus wichtigem Grund ist es dringend geboten, das Schriftformerfordernis einzuhalten und das tatsächliche Vorliegen eines wichtigen Grundes vertieft zu prüfen. Hier werden stets hohe Hürden gesetzt.

 

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Dr. Carolin Dahmen

Dr. Carolin Dahmen

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