Auftraggeber muss geringfügige Schönheitsfehler hinnehmen

Das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 20.09.2021 – 4 U 199/20) befasste sich mit einer Konstellation, in der ein Auftraggeber nach der mangelhaften Verlegung von Fliesen in einem Teilbereich einer zu sanierenden Saunalandschaft einen Kostenvorschuss für die komplette Sanierung der Saunalandschaft verlangte, da er aufgrund der Nachbesserung optische Unterschiede zwischen den Bereichen befürchtete.

Sachverhalt

Der Auftragnehmer wird mit der vollständigen Sanierung einer Saunalandschaft beauftragt. Die Leistungen umfassen neben der Lieferung auch die Verlegung der Fliesen. Nachdem die Abnahme erfolgt ist, stellt der Auftraggeber in den nassbelasteten Bereichen Mängel in Form weißlicher Ausblühungen sowohl an Boden- als auch an den Wandfliesen fest. Zudem lösen sich Fliesen ab. Zur Beseitigung der Mängel verlangt der Auftraggeber einen Kostenvorschuss in Höhe von über 200.000,00 EUR. Er beabsichtigt die Neuverlegung von Fliesen in der gesamten Sauna. Es sollen somit neben den Fliesen im Nassbereich auch Fliesen in den nicht von den Mängeln betroffenen Trockenbereichen neu verlegt werden, um ein einheitliches Erscheinungsbild zu erreichen. Der Auftragnehmer hält dies für unverhältnismäßig.

Entscheidung

Zu Recht! Nach § 635 Abs. 3 BGB sind die Kosten für die Beseitigung eines Werkmangels unverhältnismäßig, wenn der damit zur Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht. Bei rein optischen Mängeln ist darauf abzustellen, ob der Auftraggeber ein nachvollziehbares, nicht nur unbedeutendes Interesse an der auch optisch einwandfreien Herstellung des Werkes hat. Bei nur geringfügigen Schönheitsfehlern, die nur leicht das ästhetische Empfinden des Bestellers berühren, ohne dass in objektivierbarer Form die Wertschätzung gegenüber dem Werk beeinträchtigt wird, kann bei erheblichen Mängelbeseitigungsaufwendungen von Unverhältnismäßigkeit ausgegangen werden.

Die Kosten für die Sanierung der Nassbereiche belaufen sich auf 45.000,00 EUR. Der Auftraggeber verlangt darüber hinaus einen Kostenvorschuss für die Sanierung der Trockenbereiche der Sauna, da er einen optischen Unterschied zwischen den Bereichen aufgrund der Verwendung anderer Fliesen befürchtet. Diese voraussichtliche optische Abweichung muss der Auftraggeber jedoch hinnehmen, da zwischen den Nass- und sonstigen Bereichen ausreichend optische Trennungen, z. B. durch Türen, vorhanden sind, sodass Unterschiede nicht ins Auge fallen. Durch die Neuverlegung der Fliesen im Nassbereich würde an sich ein optisch einwandfreies Ergebnis erzielt werden.

Aufgrund des Vorhandenseins von optischen Trennungen zwischen den unterschiedlichen Bereichen der Sauna und des Umstands, dass bei der Neuverlegung farblich ganz ähnliche Fliesen ausgewählt werden können, ist das Interesse des Auftraggebers an einem einheitlichen Erscheinungsbild aller Saunabereiche somit nicht objektiv nachvollziehbar.

Zur Erreichung eines optisch absolut einheitlichen Bildes müssten nicht nur in den Nassbereichen, sondern auch in allen weiteren Bereichen neue Wand- und Bodenfliesen verlegt werden. Dies würde gegenüber den Kosten für die Sanierung der Nassbereiche einen Mehraufwand von über 100.000,00 EUR erfordern, welcher aufgrund der optischen Trennung der Bereiche und der lediglich geringen Unterschiede zwischen den Fliesen in keinem vernünftigen Ergebnis zum erzielten Erfolg steht.

Der Auftraggeber kann somit lediglich einen Kostenvorschuss i. H. v. 45.000,00 EUR verlangen.

Praxis

In den Fällen, in denen der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung zu Recht verweigert, steht dem Auftraggeber ein Minderungsrecht aus § 638 Abs. 1 BGB zu. Darüber hinaus kann der Auftraggeber Schadenersatz verlangen, wenn der Auftragnehmer den Mangel zu vertreten hat.

Zurück
Dr. Carolin Dahmen

Dr. Carolin Dahmen

T: +49 221 95 190-64
ZUM PROFIL