Wer zu spät kommt, muss zahlen

Erfolgt eine Zielvorgabe erst zu einem derart späten Zeitpunkt innerhalb des maßgeblichen Geschäftsjahres, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr sinnvoll erfüllen kann, ist sie so zu behandeln, als sei sie überhaupt nicht erfolgt. Ein derart später Zeitpunkt ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Geschäftsjahr bereits zu mehr als drei Vierteln abgelaufen ist, so jetzt das LAG Köln (v. 06.02.2024 – 4 Sa 390/23)

Der Fall

Die Parteien streiten um Schadenersatz aufgrund einer verspätet erfolgten Zielvorgabe für das Jahr 2019. Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers setzte sich sein Gehalt aus einem fixen und einem variablen Bestandteil zusammen. Ausweislich der Betriebsvereinbarung zur variablen Vergütung sollten die entsprechenden Ziele bis zum 01.03. festgelegt werden. Im Geschäftsjahr 2019 wurden dem Kläger aber erst am 26.09.2019 die Ziele mitgeteilt. Dabei wurden ein Umsatzziel (35 %), ein EBITDA-Ziel (35 %) sowie ein individuelles Ziel (30 %) festgelegt. Der Kläger kündigte zum 30.11.2019.

Die Entscheidung

Der Kläger hat nach dem LAG Köln Anspruch gegen die Beklagte auf Schadenersatz wegen nicht rechtzeitig erfolgter Zielvorgabe gem. §§ 280 I, III, 283, 252 BGB.

Aus der Betriebsvereinbarung folgt die Pflicht der Beklagten, dem Kläger eine Zielvorgabe bis zum 1. März mitzuteilen. Anders als Zielvereinbarungen werden Zielvorgaben allein vom Arbeitgeber getroffen, dem dafür ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i. S. d. § 315 I BGB eingeräumt wird. Diese einseitig bestimmten Zielvorgaben sind aber dem Vertragspartner mitzuteilen. Eine solche Zielvorgabe habe die Beklagte nicht bis zum 01.03.2019 erteilt. Es komme dabei nicht darauf an, dass der Kläger möglicherweise aus Präsentationen oder Ähnlichem die Unternehmensziele hätte erkennen können. Der Arbeitgeber habe Zielvorgaben ausdrücklich mitzuteilen. Die Beklagte habe daher eine Pflicht verletzt.

Der Kläger könne Schadensersatz statt der Leistung verlangen, weil eine einseitige Zielvorgabe durch Zeitablauf unmöglich geworden sei. Nach der Rechtsprechung des BAG sei eine Zielvereinbarung spätestens nach Ablauf der Zeit, für die ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren hat, nicht mehr möglich. Eine Zielvereinbarung solle in der Regel die Leistung und Motivation steigern. Vor diesem Hintergrund könne die Zielvereinbarung ihre Anreizfunktion nur erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bereits bei der Ausübung seiner Tätigkeit die von ihm zu verfolgenden Ziele kenne. Das gelte auch für einseitige Zielvorgaben.

Diese Anreizfunktion sei auch nicht erfüllt, wenn zwar der Bemessungszeitraum des variablen Vergütungsbestandteils noch nicht abgelaufen sei, aber die Zielvorgabe so spät erfolge, dass der Zweck der Leistungssteigerung und Motivation nicht mehr erreicht werden könne. Das sei jedenfalls bei Ablauf von drei Vierteln des Bemessungszeitraums der Fall. Dem Arbeitnehmer bleibt dann kein hinreichender Zeitraum mehr, die vorgegebenen Jahresziele effektiv zu verfolgen.

Dem stehe nicht entgegen, dass die unterlassene Zielvorgabe unternehmensbezogene Ziele betraf, auf deren Erfüllung der Kläger weniger Einfluss gehabt hätte als auf die Erfüllung von persönlichen Zielen. Dies gelte erst recht nicht, wenn Mitarbeiter betroffen sind, die auf hohen Hierarchieebenen tätig sind. Diese könnten in gewissem Umfang Einfluss auf die Unternehmenskennzahlen nehmen. Wäre dies anders, wäre es nicht gerechtfertigt, sie zum Gegenstand einer Zielvorgabe zu machen.

Der zu ersetzende Schaden umfasse die entgangene Bonuszahlung. Maßgeblich sei eine hundertprozentige Zielerreichung, da keine besonderen Umstände vorliegen, die darauf schließen ließen, dass der Kläger seine Ziele nicht erreicht hätte.

Das Fazit

Verweigert der Arbeitgeber den Abschluss einer Zielvereinbarung, macht er sich schadenersatzpflichtig. Durch die Weigerung wird die Erfüllung der Ziele unmöglich. Die Zielvereinbarung kann jedenfalls nach Ablauf der Zielperiode ihre Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. Dem liegt der Grundgedanke einer variablen Vergütung zugrunde, nach dem das Ziel die Leistungssteigerung und Motivation des Arbeitnehmers ist. Der Arbeitnehmer muss daher wissen, welche Ziele von dem Arbeitgeber erwartet werden (BAG, Urt. v. 17.12.2020 – 8 AZR 149/20). Dies gilt nach obergerichtlicher Rechtsprechung auch dann, wenn der Arbeitgeber einseitig eine Zielvorgabe zu treffen hat und diese schuldhaft unterbleibt (LAG Hessen, Urt. v. 30.04.2021 – 14 Sa 606/19; LAG Köln, Urt. v. 26.01.2018 – 4 Sa 433/17, bestätigt durch LAG Köln, Urt. v. 6.2.2024 – 4 Sa 390/23).

In Fortführung dieses Gedankens macht sich der Arbeitgeber nun auch dann schadenersatzpflichtig, wenn die Zielvorgabe zwar vom Arbeitgeber getroffen wird, aber zu einem so späten Zeitpunkt erfolgt, dass sie die Anreizfunktion nicht mehr erfüllt.

Dies reiht sich in die Rechtsprechung des BAG und der LAG ein. Wenn der Arbeitgeber bestimmte Vergütungsbestandteile abhängig von bestimmten Zielen macht, dann hat er auch sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer Kenntnis von diesen Zielen hat und ihm die Vorgaben ausdrücklich mitgeteilt worden sind. Ebenso hat er diese Ziele klar, eindeutig und verständlich dem Arbeitnehmer mitzuteilen.

Im Hinblick auf diese deutliche Rechtsprechung sollten Arbeitgeber zwingend ein System implementieren, dass die jeweiligen Zielvorgaben (oder Zielvereinbarungen) fristgerecht – schriftlich – mitgeteilt werden. Eine frühzeitige Wiedervorlage dieser Verpflichtung ist dringend anzuraten. Gerne unterstützen wir Sie im Rahmen des Entwurfes dieser Zielvorgaben!

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Stephan Hinseln

Stephan Hinseln

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