Kann ein Unfall im Homeoffice als Arbeitsunfall gelten? Ein selbstständiger Unternehmer regulierte seine defekte Heizung, um in wärmeren Räumen arbeiten zu können. Dabei erlitt er eine schwere Augenverletzung durch eine Verpuffung. Das Bundessozialgericht (BSG) hatte sich in diesem Jahr mit der Frage zu befassen, ob es sich bei diesem Unfall um einen Arbeitsunfall handelt, da sich der unfallversicherte Unternehmer zum Unfallzeitpunkt im Homeoffice befand (Urt. v. 21.03.2024, B 2 U 14/21 R).
DER FALL
Im Mittelpunkt des Falles stand die Frage, ob ein Unfall im Homeoffice als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Der Kläger nutzte sein Wohnzimmer als häuslichen Arbeitsplatz. Am Unfalltag wollte er an seinem Schreibtisch arbeiten, stellte jedoch fest, dass die Heizkörper im Haus kalt waren. Daraufhin begab er sich in den Heizungskeller, um die Kesselanlage zu überprüfen. Beim Hochdrehen des Temperaturreglers kam es durch einen Defekt zu einer Verpuffung, die eine schwere Augenverletzung verursachte. Der Kläger argumentierte, dass die Regulierung der Heizung seiner beruflichen Tätigkeit diente, da er bei höheren Temperaturen effektiver arbeiten wollte. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall jedoch ab. Sie verwies darauf, dass die Heizungsregulierung überwiegend privaten Zwecken diente, nämlich der Erwärmung des Wohnraums.
Sowohl das Sozialgericht (Urt. v. 04.10.2018, Az.: S 33 U 325/17) als auch das Landessozialgericht (Urt. v. 12.05.2021, Az.: L 3 U 373/18) wiesen die Klage ab. Sie erkannten zwar an, dass der Kläger mit einer beruflichen Handlungstendenz handelte. Entscheidend sei jedoch, dass die Verpuffung ausschließlich auf einem Defekt der privaten Heizungsanlage beruhte. Solche Risiken seien den Gefahren der privaten Wohnung zuzuordnen, die nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen.
DIE ENTSCHEIDUNG
Das BSG setzt sich über die Vorinstanzen hinweg und stellt in seiner Entscheidung fest, dass der gesetzliche Unfallversicherungsschutz auch für Tätigkeiten im Homeoffice gilt, wenn diese betrieblich veranlasst sind. Diese Entscheidung stützt sich auf die Änderung von § 8 Abs. 1 Satz 3 SGB VII im Rahmen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes, das den Versicherungsschutz über die bisherige Rechtsprechung hinaus erweitert. Der Gesetzgeber wollte damit Lücken im Versicherungsschutz schließen und den Schutz der Versicherten unabhängig von räumlichen Grenzen und der Einflussnahme des Arbeitgebers sicherstellen.
Das BSG stellt klar, dass für die Zurechnung einer Tätigkeit zum versicherten Bereich nicht der Ort oder die Beschaffenheit des Unfallgegenstandes entscheidend sind. Vielmehr zählt, dass die Tätigkeit einen betrieblichen Zweck verfolgt – auch wenn private Gegenstände genutzt werden. Eine defekte Heizungsanlage, die im Homeoffice benutzt wird, hindert nicht den Versicherungsschutz, wenn sie betriebsdienlich verwendet wird.
Zur Unfallkausalität erklärt das BSG, dass bei einer versicherten Tätigkeit der Zusammenhang mit dem Unfall nicht durch private Ursachen unterbrochen wird, solange die Tätigkeit betrieblichen Zwecken dient. Es betont außerdem, dass die typischen Beweisschwierigkeiten im Homeoffice berücksichtigt werden sollten, ohne den Beweismaßstab zu senken.
DAS FAZIT
Die Entscheidung des BSG verdeutlicht, dass der Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung auch Tätigkeiten im Homeoffice umfasst, wenn sie betrieblich veranlasst sind. Arbeitgeber sollten sich der erweiterten Versicherungspflicht bewusst sein, da dies für mehr Sicherheit der Beschäftigten sorgt, gleichzeitig aber auch neue Herausforderungen mit sich bringt. Wichtig ist, dass auch private Gegenstände im Homeoffice, die betrieblich genutzt werden, den Versicherungsschutz nicht ausschließen. In Zukunft bleibt es entscheidend, den betrieblichen Charakter der Tätigkeit klar zu dokumentieren und zu belegen, um im Falle eines Unfalls den Versicherungsschutz sicherzustellen.