Kein Verzicht auf Mindesturlaub durch Prozessvergleich

Was passiert mit Urlaubsansprüchen, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegen eine Abfindung auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigen und im Vergleich auf die Urlaubstage verzichtet wird? Nichts, so das BAG – sie bleiben bestehen.

Der Fall

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Arbeitnehmer wurde mehrere Jahre als Betriebsleiter beschäftigt. 2023 erkrankte der Arbeitnehmer zu Beginn des Jahres bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im April 2023 durchgehend, weshalb er seinen Urlaub aus diesem Jahr nicht in Anspruch nehmen konnte.

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage, im Verfahren wurde sodann ein gerichtlicher Vergleich zur Beendigung des Verfahrens geschlossen. Dabei verständigten sich die Parteien darauf, dass das Arbeitsverhältnis durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 30.04.2023 endete und auf die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000 Euro. In einer Ziffer des Vergleichs hieß es: „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“. Aufgrund seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit hatte der Arbeitnehmer unstreitig Anspruch auf sieben Urlaubstage.

Trotz des eigentlich unstreitig bestehenden Anspruches erklärte sich der Arbeitnehmer jedoch mit dem Vergleich einverstanden.

Im Nachhinein änderte der Arbeitnehmer aber augenscheinlich seine Meinung. Mit anschließender Klage verlangte er nämlich von seinem Ex-Arbeitgeber, die sieben noch offenen Urlaubstage aus dem Jahr 2023 mit einem Betrag in Höhe von 1.615,11 Euro nebst Zinsen abzugelten. Der Verzicht darauf im vorausgegangenen Vergleich sei unwirksam.

Die Entscheidung

Das sieht das BAG nun genauso und weist die Revision des Arbeitgebers zurück (BAG, Urteil vom 03.06.2025 – 9 AZR 104/24).

Der Mann habe gem. § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Abgeltung seines nicht erfüllten gesetzlichen Mindesturlaubs. Der Urlaub sei nicht durch die Vergleichsziffer erloschen, so das Gericht. Denn wenn eine Klausel einen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unzulässigen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs regele, sei sie nach § 134 BGB unwirksam. Weder der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub noch ein erst künftig – mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – entstehender Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs dürfe im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitsvertrag durch einen Vergleich beendet wird und klar ist, dass der Arbeitnehmer den Urlaub wegen Krankheit gar nicht wahrnehmen kann.

Der Prozessvergleich enthalte auch keinen Tatsachenvergleich, auf den § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nicht anzuwenden wäre, so das BAG weiter. Ein solcher liegt vor, wenn Parteien sich nicht sicher sind, ob ein Anspruch tatsächlich besteht – der Anspruch also streitig ist – und diese Zweifel durch gegenseitiges Nachgeben aus dem Weg geräumt werden. Weil der Arbeitnehmer jedoch seit Anfang 2023 durchgehend arbeitsunfähig gewesen ist, sei unstreitig, dass der Urlaubsanspruch tatsächlich bestehe.

Auch dem Einwand des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer sei es auf Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Vergleichsziffer zu berufen, folgte das Gericht nicht. Der Arbeitgeber durfte nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen.

Das Fazit

Die Entscheidung überrascht, stellt sie sich doch gegen die gängige Praxis, in arbeitsgerichtlichen Vergleichen zu regeln, dass der noch bestehende Resturlaubsanspruch bis zum Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses bereits in natura gewährt ist.

Mit diesem Passus konnte bisher verhindert werden, dass der Arbeitgeber noch offene Urlaubstage abgelten musste, weil der Arbeitnehmer bis zum Beendigungszeitpunkt den Urlaub nicht genommen hatte oder weil der Arbeitnehmer während einer unwiderruflichen Freistellung arbeitsunfähig erkrankte und daher die Resturlaubstage auf die Freistellungszeit nicht angerechnet werden konnten.

Im Ergebnis stellt diese Entscheidung für die Praxis ein Dilemma dar, da die Rechtsprechung nun der ökonomischen Erledigung solcher Resturlaubsansprüche ein Riegel vorgeschoben hat. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Entscheidungsgründe gestalten (die Entscheidung liegt bisher nur als Pressemitteilung vor). Möglicherweise ergeben sich dadurch doch noch Optionen für die Praxis, Urlaub per Prozessvergleich in natura zu gewähren. Eine Möglichkeit ist der Pressemitteilung schon zu entnehmen: Soweit ein Tatsachenvergleich vorliegt, kann auf den gesetzlichen Mindesturlaub wohl weiterhin verzichtet werden. Das bedeutet, dass zukünftig vor Vergleichsabschluss die Anzahl der noch offenen Urlaubstage streitig gestellt werden muss.

Ebenso wird es zukünftig interessant werden, wie viele Arbeitnehmer nun bereits geschlossene Vergleiche anfechten und versuchen werden, „noch was rauszuholen“.

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Stephan Hinseln

Stephan Hinseln

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