Wer auf Firmenkosten für eine Fortbildung angemeldet ist und diese für eine private Verabredung schwänzt, riskiert seinen Arbeitsplatz. Das kann auch Betriebsratsvorsitzende treffen – auch wenn die Hürden für eine Kündigung hier höher sind (LAG Niedersachsen, Beschluss v. 28.02.2024 – 13 TaBV 40/23).
Der Fall
Der Betriebsratsvorsitzende war für einen dreitägigen Fortbildungskongress (Betriebsrätetag) in Bonn angemeldet. Kostenpunkt für den Arbeitgeber: rund 2.000,00 €.
Der Arbeitgeber warf dem Betriebsratsvorsitzenden vor, dass dieser lediglich am ersten Tag an dem Betriebsrätetag teilgenommen habe. An den beiden Folgetagen sei er der Veranstaltung vollständig ferngeblieben und ausschließlich privaten Angelegenheiten nachgegangen. Aufgrund seiner Angaben im Arbeitszeitnachweis bestehe der Verdacht eines Arbeitszeitbetruges.
Der Betriebsratsvorsitzende hat eingeräumt, den Betriebsrätetag am Vormittag des zweiten Tages verlassen zu haben, um aus privaten Gründen nach Düsseldorf zu fahren. Er habe jedoch während der von ihm angegebenen Zeiten stundenlang Betriebsratsarbeit in einem Café in Düsseldorf geleistet und anschließend bei seiner Ex-Frau übernachtet. Als freigestellter Vorsitzender des Betriebsrates könne er auch mobil arbeiten.
Dieser Einlassung schenkte der Arbeitgeber keinen Glauben. Betriebsratsmitglieder genießen allerdings gem. § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) besonderen Kündigungsschutz. Sie dürfen nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Ferner muss zudem nach § 103 BetrVG der Betriebsrat der Kündigung zustimmen.
Die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden beantragte der Arbeitgeber beim Betriebsrat. Der Betriebsrat erteilte die Zustimmung zur Kündigung seines Vorsitzenden nicht, woraufhin der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht Lüneburg die Ersetzung der Zustimmung beantragte.
Das Arbeitsgericht Lüneburg ersetzte die Zustimmung.
Die Entscheidung
Das LAG Niedersachsen bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 BGB liege aus Sicht des Gerichts für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung vor. Der Betriebsratsvorsitzende hat selbst zugegeben, den Betriebsrätetag spätestens am Vormittag des zweiten Tages eigenmächtig verlassen und bis zum Schluss nicht mehr daran teilgenommen zu haben. Bereits hierin liege ein schwerwiegender Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten.
Darüber hinaus bestand nach Überzeugung der Kammer zumindest der dringende Verdacht, dass der Betriebsratsvorsitzende in seinem Arbeitszeitnachweis für den zweiten Tag bewusst falsche Angaben gemacht hat. Die vom Betriebsratsvorsitzenden abgegebene Begründung, anderweitige Betriebsratsarbeit geleistet zu haben, hielt die Kammer nicht für glaubhaft. Sie habe auch im Widerspruch zu Erklärungen gestanden, die der Betriebsratsvorsitzende nach der Rückkehr gegenüber anderen mitgereisten Betriebsratsmitgliedern abgegeben hatte.
Diese Verstöße rechtfertigen aufgrund der Fallumstände eine außerordentliche Kündigung.
Das Fazit
Die Entscheidung des LAG Niedersachsen entspricht der bisherigen Rechtsprechung und ist von erfreulicher Konsequenz. Auch als Betriebsratsvorsitzender hat man die arbeitsrechtlichen Spielregeln zu beachten. Verstößt man in schwerwiegender Weise gegen arbeitsvertragliche Pflichten, kann dies zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gem. § 626 BGB führen. Hat der Betriebsratsvorsitzende sich für eine Fortbildung angemeldet und nimmt an dieser nicht teil, kann bereits dies einen wichtigen Grund darstellen und mithin für eine außerordentliche Kündigung ausreichen. Nur weil es sich um ein Betriebsratsmitglied handelt, darf deswegen nicht ein deutlich höherer Maßstab angesetzt werden für die Frage der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung. Das Betriebsratsmitglied ist bereits ausreichend durch die anderweitigen Schutzvorschriften (u. a. Erfordernis der Zustimmung durch den Betriebsrat, § 103 BetrVG) geschützt.
Für Arbeitgeber gilt: Sollten schwerwiegende Verstöße durch Betriebsratsmitglieder entdeckt werden, haben Arbeitgeber dieselbe Vorgehensweise zu beachten wie auch bei „normalen“ Arbeitnehmern. Es ist zügig und ordnungsgemäß der Sachverhalt aufzuklären und wenn die Vorwürfe zutreffen, sollte eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Bei Betriebsratsmitgliedern ist lediglich zu beachten, dass es der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Eine Verweigerung der Zustimmung wird aber, wie das LAG Niedersachen nun nochmals aufgezeigt hat, ersetzt, soweit ein entsprechender wichtiger Grund gegeben ist.