Arbeitswelt 2.0 – Zur Erfüllung von Provisionsansprüche kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, wenn es dessen objektivem Interesse entspricht, die sog. Kryptowährung Ethereum (ETH) übertragen. Es soll sich nach der Entscheidung des BAG (Urteil vom 16. April 2025 – 10 AZR 80/24) um einen Sachbezug i. S. v. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO handeln. Der unpfändbare Betrag muss allerdings in Geld ausgezahlt werden.
Der Fall
Die Klägerin war bei der Beklagten, einem Unternehmen, das unter anderem im Bereich Kryptowährungen tätig ist, seit Juni 2019 zunächst in Teilzeit und dann in Vollzeit beschäftigt. Zusätzlich zu ihrem Gehalt war im Arbeitsvertrag eine Provision auf Grundlage der monatlichen Geschäftsabschlüsse vereinbart. Die Provision war zunächst in Euro zu berechnen und zum Fälligkeitszeitpunkt – jeweils am letzten Tag des Folgemonats – zum aktuellen Wechselkurs in ETH umzurechnen und in dieser Form zu zahlen.
Obwohl die Klägerin die Beklagte mehrfach dazu aufgefordert und ihr auch die Adresse des für die Übertragung erforderlichen Wallets mitgeteilt hatte, erfolgte bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2021 weder eine Übertragung von ETH noch eine Abrechnung der Provisionsansprüche. Stattdessen zahlte die Beklagte mit der Gehaltsabrechnung für Dezember 2021 einen Betrag von 15.166,16 € brutto an die Klägerin aus. Diesen Betrag berücksichtigte die Klägerin bei der Klageforderung.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin zuletzt noch die Auszahlung offener Provisionen für Februar und März 2020 in Höhe von 19,194 ETH. Die Beklagte ist der Ansicht, etwaige Ansprüche seien durch die im Dezember 2021 geleistete Zahlung erfüllt worden. Zudem vertritt sie die Auffassung, dass gemäß § 107 Abs. 1 GewO Arbeitsentgelt grundsätzlich in Euro zu leisten und eine Auszahlung in Kryptowährung deshalb unzulässig sei. Die Vorinstanzen gaben der Klage, soweit sie für das Revisionsverfahren relevant ist, statt.
Die Entscheidung
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Provisionsansprüche, zu erfüllen durch die Übertragung von ETH, grundsätzlich zu. Die Revision der Beklagten hatte alleine deshalb Erfolg, weil das LAG Baden-Württemberg das pfändbare Einkommen nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO unzutreffend ermittelt hatte.
Arbeitsentgelt ist gemäß § 107 Abs. 1 GewO zwar grundsätzlich in Euro zu berechnen und auszuzahlen und bei einer Kryptowährung handelt es sich nicht um Geld in diesem Sinne, Abs. 2 lässt aber zu, Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgeltes zu vereinbaren, wenn dies im Interesse des Arbeitnehmers ist. Wird die Übertragung von Kryptowährung arbeitsvertraglich vereinbart, soll es sich um einen solchen Sachbezug handeln. Nach Abs. 2 Satz 5 darf allerdings der Wert der vereinbarten Sachbezüge die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer mindestens den unpfändbaren Teil seines Arbeitsentgelts in Geld (und zwar in Euro) ausgezahlt bekommen muss. Damit soll verhindert werden, dass der Arbeitnehmer gezwungen wird, den Sachbezug zu Geld zu machen oder Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, um die Bedürfnisse des täglichen Lebens zu finanzieren. Diese Regelung führt, so der Sachbezug wie hier teilbar ist, zur teilweisen Nichtigkeit der Vereinbarung. Das Arbeitsentgelt ist also bis zur Höhe der jeweiligen Pfändungsfreigrenze in Euro zu leisten und der Sachbezug entsprechend zu kürzen.
Die Sache wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil dieses die für die Berechnung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erforderlichen Tatsachen nicht vollständig festgestellt hatte und deshalb nicht abschließend entschieden werden konnte, ob der Klägerin ein Anspruch auf Übertragung von ETH in der geforderten Höhe zusteht.
Das Fazit
Das Urteil zeigt, wie umfangreich die Gestaltungsmöglichkeiten in Arbeitsverträgen sind, wenn die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden und stellt gleichzeitig klar, welche Regeln dabei zwingend zu beachten sind. Arbeitgeber erhalten durch die Entscheidung eine Handlungsanweisung zur Vergütung mit Kryptowährungen. Dabei sollten diese darauf achten, dass der Betrag, welcher der individuell zu bestimmenden Pfändungsfreigrenze (§ 850c ZPO) entspricht, auch tatsächlich in Geld ausgezahlt wird. Ebenso darf der gesetzliche Mindestlohn nur in „richtigem“ Geld gezahlt werden, da es sich um eine sog. Geldsummenschuld handelt.
Nicht entschieden wurde die spannende Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam ist, nach der Arbeitsentgelt in Form von Kryptowährung gewährt werden soll. Diese Frage war nicht entscheidungserheblich, da sich die Klägerin auf die Wirksamkeit der Vereinbarung berufen hat und sich die Arbeitgeberin als Verwenderin der Klausel nicht auf deren Unwirksamkeit berufen kann, denn die Inhaltskontrolle dient nicht dem Schutz des Verwenders vor selbst gewählten Bestimmungen.
Gerne beraten wir Sie zu zulässigen alternativen Gestaltungsmöglichkeiten in Arbeitsverträgen.