Arbeitgeber, die ein Kündigungsschreiben per Einwurfeinschreiben versenden, müssen sowohl den Ein- als auch den Auslieferungsbeleg präsentieren können, damit sie überhaupt in den Genuss des Beweises des ersten Anscheins bzgl. eines Zugangs kommen können - so entschied jüngst das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg (Urt. v.12.12.2023 – 15 Sa 20/23).
Der Fall
Zwischen dem Kläger (Arbeitnehmer) und der Beklagten (Arbeitgeberin) ist streitig, ob dem Kläger ein Kündigungsschreiben wirklich zugegangen ist.
Der Kläger behauptet, er habe bis heute keine Kündigung von der Beklagten erhalten. Die Beklagte trägt dagegen vor, dass die Kündigung zugestellt worden sei. Die Kündigung sei am 28.06.2017 bei der Deutschen Post AG aufgegeben und dem Kläger ausweislich der Zustellbestätigung am 29.06.2017 zugestellt worden.
Das Arbeitsgericht Reutlingen hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass lediglich durch die Vorlage der Ein- und Auslieferungsbelege eines Einwurfeinschreibens kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung begründet werden könne, da der Zugang einer Sendung zu dem im Auslieferungsbeleg dokumentierten Zeitpunkt kein typischer Geschehensablauf sei, der einen Anscheinsbeweis begründen könnte.
In der Berufung trägt die Beklagte vor, dass sich das Einwurfeinschreiben von einem Einschreiben per Rückschein in der Weise unterscheide, dass das Schreiben in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen und der Einwurf von dem Mitarbeiter der Deutschen Post mit Datums- und Uhrzeitangabe dokumentiert wird. Mit Einwurf gehe dieses Einschreiben dann zu. Bei nachgewiesener Absendung eines Einwurfeinschreibens sei daher ein Anscheinsbeweis für dessen Zugang herzuleiten.
Die Entscheidung
Das LAG statuiert, dass dahingestellt bleiben könne, ob der Einlieferungsbeleg eines Einwurfeinschreibens zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs den Beweis des ersten Anscheins dafür begründet, dass durch eine Einlegung in den Briefkasten die Sendung tatsächlich zugegangen ist, da die Beklagte in dem Fall schon gar keine Reproduktion eines Auslieferungsbelegs vorgelegt hatte.
Wenn eine Reproduktion des Auslieferungsbelegs von der Deutschen Post AG nicht mehr zur Verfügung gestellt werden kann, falle dieser Umstand nach Dafürhalten des LAG in die Risikosphäre des Arbeitgebers.
Dass Grundlage eines Anscheinsbeweises lediglich der Einlieferungsbeleg zusammen mit einem bloßen Statusbericht sein könnte, ergebe sich ferner nicht aus der aktuellen Rechtsprechung.
Damit ging die Berufung ins Leere.
Das Fazit
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg überrascht aufgrund der bisher gefahrenen Linie des LAG selbst und übereinstimmender höchstrichterlicher Rechtsprechung kaum. Auch der Bundesgerichtshof hatte vor nicht allzu langer Zeit in einem Fall (BGH, Beschluss vom 11.05.2023 – V ZR 203/22) entschieden, dass ein Anscheinsbeweis ausdrücklich nur für den Fall der Vorlage des Ein- und des Auslieferungsbelegs bejaht werden kann. Weiter müsse das ordnungsgemäße Zustellungsverfahren vom Zusteller eingehalten worden sein.
Bei Kündigungserklärungen sollte daher immer der Bote oder die persönliche Übergabe an den Arbeitnehmer mit Empfangsbestätigung priorisiert werden.
Wenn dies nicht möglich ist, sollte bei einem Einwurfeinschreiben darauf geachtet werden, dass zwingend Ein- und Auslieferungsbelege aufzuheben und/oder anzufragen sind. So gibt es im Falle des Auslieferungsbelegs beispielsweise eine Anfragefrist von nur 15 Monaten nach Auslieferung. Aber Vorsicht: Trotz Vorlage aller Belege könnte der Anscheinsbeweis nicht durchgreifen, wenn beispielsweise das ordnungsgemäße Zustellungsverfahren nicht eingehalten wurde. Das kann der Arbeitgeber nicht beeinflussen. Zudem gibt es Gerichte, die den Anscheinsbeweis trotz Belegen nicht zur Anwendung kommen lassen.