GKV-Wahltarife auf dem Prüfstand − Continentale Krankenversicherung mit CBH Rechtsanwälte erfolgreich vor dem Landessozialgericht NRW

In einer langjährigen Auseinandersetzung um die Zulässigkeit von sog. Wahltarifen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat das von CBH vertretene private Versicherungsunternehmen Continentale gegen die gesetzliche Krankenversicherung AOK Rheinland/Hamburg vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) ein wichtiges Urteil erstritten. Die Continentale Krankenversicherung hatte dagegen geklagt, dass die AOK Rheinland/Hamburg als gesetzliche Versicherung seit dem 01.04.2007 als solche bezeichnete „Wahltarife“ für eine Vielzahl von Leistungen außerhalb des gesetzlichen Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkasse anbot und sich damit in den klassischen Bereich der Zusatzversicherungen der privaten Krankenversicherungen hineinbewegte. Während das Sozialgericht Dortmund im Februar 2014 die Klage der Continentale zurückgewiesen hatte, gab ihr das LSG NRW nunmehr Recht.

Im Juni hatte das LSG NRW sein Urteil erlassen und jetzt seine Begründung vorgelegt. Demnach sind eine Viel-zahl von Wahltarifen für Zusatzleistungen der AOK Rheinland/Hamburg, wie Auslandsreisekrankenversicherung, Chefarztbehandlung, 1- und 2-Bettzimmer-Tarife in Krankenhäusern, Zahnersatz, Brillen und kieferorthopädische Behandlung unzulässig. Nach Ansicht des Gerichtes bewegen sich solche Tarife außerhalb des gesetzlich zulässigen Leistungskataloges für die gesetzlichen Krankenkassen und können nicht als sog. Wahltarife angeboten werden. Ein Angebot sei allenfalls in Kooperation mit den privaten Krankenversicherungen zulässig.

Materiell-rechtlich wird der Anspruch zentral aus einem Verstoß gegen § 53 Abs. 4 SGB V und einem korrespondierenden Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitet, da die AOK mit ihrem Tarifangebot den gesetzlich vorgesehenen Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verlässt und damit außerhalb des verfassungsrechtlich legitimierten und limitierten Kompetenzbereiches in den Bereich der privaten beruflichen Betätigung Dritter eingreift. Neben der Zweiteilung des Marktbereiches in dieser Hinsicht, der für die Krankenkassen nur eine Kooperationsmöglichkeit mit den privaten Krankenversicherern nach § 194 Abs. 1a SGB V vor-sieht, weist das LSG NRW auch auf die ansonsten bestehenden Strukturvorteile der GKV hin, die u.a. körperschaftssteuerbefreit sind und für die Werbung ohne weiteren Aufwand auf den Bestand ihrer Versicherten zugreifen können. Zudem bestätigt der Senat die Gefahr von Nachahmungen dieses gesetzwidrigen Wettbewerbs durch andere Anbieter und damit letztlich in Folge die Gefahr eines möglichen Verdrängungswettbewerbs.

Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ist von besonderem Interesse, dass der Senat der Argumentation von Continentale und CBH gefolgt ist, wonach § 69 SGB V, der ansonsten eine Anwendung des UWG auf Rechtsbeziehungen von Krankenkassen ausschließen würde, einer Anwendbarkeit des UWG hier nicht entgegensteht, da sich die AOK mit ihrem Angebot gerade außerhalb des nach SGB V zugewiesenen Tätigkeitsbereiches und Versorgungsauftrages bewegt.

Das Urteil hat aufgrund des großen Marktes für derartige Zusatzversicherungen Breitenwirkung für die gesamte Krankenversicherungsbranche und ist insbesondere für das Verhältnis privater zu gesetzlicher Krankenversicherung bedeutsam. Das LSG NRW hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision gegen das vorliegende Urteil zugelassen.

LSG Nordrhein-Westfalen, 14.06.2018 − L 16 KR 251/14

Vertretung der Continentale Krankenversicherung a. G.

CBH Rechtsanwälte

Dr. Ingo Jung und Dr. Sascha Vander (Federführung sowie UWG/Sozialrecht)
Dr. Martin Pagenkopf (Verfassungsrecht)
Dr. Christoph Naendrup (Kartellrecht)
Kristin Kingerske (Beihilferecht)