OVG NRW hält in seinem Beschluss vom 19.04.2023, Az. 10 B 1240/22, die Nutzungsuntersagung eines Hotelgebäudeteils wegen Brandschutzdefiziten aufrecht

Das OVG NRW stellt in seiner Entscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die ausgesprochene Nutzungsuntersagung nicht wieder her, obwohl sich der Antragsteller auf Bestandsschutz aufgrund einer erteilten Baugenehmigung berief.


Der Fall

Der Antragsteller ist Betreiber eines Hotels, bei dem in einem Teilbereich die Kellerdecke entgegen § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauO NRW nicht feuerbeständig ausgeführt ist. Ferner erfüllen die beiden das Obergeschoss des Hotels erschließenden notwendigen Treppen nicht die Anforderungen der DIN 18065, die durch die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen NRW (VV TB NRW) als technische Baubestimmung eingeführt ist. Insbesondere konnte der Antragsteller das Gericht nicht davon überzeugen, dass die Anforderungen an die Treppensteigung, den Treppenauftritt und das Steigungsverhältnis eingehalten sind. Ferner unterschreiten die Treppen die nutzbare Mindestlaufbreite von 100 cm deutlich. Aufgrund dieser Brandschutzdefizite hat die Bauaufsicht eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen. Das hiergegen gerichtete erstinstanzliche Verfahren des Antragstellers blieb ohne Erfolg. Das OVG NRW bestätigte letztere Entscheidung und wies die Beschwerde des Antragstellers zurück.

Die Entscheidung

Das OVG NRW begründet seine Entscheidung u. a. damit, dass der Antragsteller ohne Erfolg geltend gemacht habe, dass die untersagte Nutzung von der Baugenehmigung gedeckt sei, obwohl eine hiervon abweichende Bauausführung erfolgte. Maßgeblich sei, ob die Bauausführung von der Baugenehmigung so erheblich abweiche, dass die errichtete bauliche Anlage im Verhältnis zu der genehmigten Anlage ein sog. „Aliud“ darstelle, was immer dann der Fall sei, wenn beide Anlagen baurechtlich unterschiedlich beurteilt werden könnten, und zwar unabhängig davon, ob die bauliche Zulässigkeit der von der Baugenehmigung abweichenden Anlage als solche im Ergebnis tatsächlich anders zu beurteilen sei. Ein baurechtlich relevanter Unterschied zwischen der ursprünglich genehmigten und der abgewandelten Anlage sei immer dann anzunehmen, wenn sich für die abgewandelte Anlage die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stelle. Dies folge aus dem Zweck der Baugenehmigung, die sicherstellen solle, dass nur solche Bauvorhaben ausgeführt würden, deren Vereinbarkeit mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften von der Bauaufsichtsbehörde festgestellt worden seien.

Im vorliegenden Fall stellte sich nach Ansicht des OVG NRW die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu. Daher konnte sich der Antragsteller ausgehend von der Baugenehmigung nicht auf Bestandsschutz berufen. Der Antragsteller konnte auch nicht mit Erfolg darlegen, dass das gegenständliche Vorhaben aufgrund materieller Rechtmäßigkeit offensichtlich genehmigungsfähig ist.

Folgen für die Praxis

In einem ordnungsbehördlichen Verfahren kann einer Ordnungsverfügung nicht erfolgreich entgegengehalten werden, das Vorhaben sei formell legal und genieße deshalb Bestandsschutz, wenn die Bauausführung so erheblich von der Baugenehmigung abweicht, dass ein sog. „Aliud“ entstanden ist. Ein solches „Aliud“ liegt bereits schon dann vor, wenn sich für die tatsächlich errichtete bauliche Anlage die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu stellt, und zwar unabhängig davon, ob die Genehmigungsfähigkeit im Ergebnis vorliegt. Daher ist zu empfehlen, bei der Errichtung einer baulichen Anlage stets sehr genau darauf zu achten, dass sie gemäß der Baugenehmigung errichtet wird. Die Praxis zeigt, dass oftmals aus Sicht vom am Bau Beteiligten vermeintlich kleine Abweichungen von der Baugenehmigung rechtlich die Genehmigungsfrage neu aufwerfen können mit der Folge, dass unbewusst ein „Aliud“ errichtet wird. Dies sollte durch eine qualifizierte rechtliche Prüfung der beabsichtigten veränderten Bauausführung vermieden werden.