Lockerung der Schuldenbremse und Beschluss des Sondervermögens für Infrastruktur: Nur ein Tropfen auf den heißen Stein für Kommunen?

Der Bundestag und der Bundesrat haben weitreichende Änderungen des Grundgesetzes beschlossen. Diese Änderungen erhöhen die Verteidigungsausgaben des Bundes und bestimmen die Verschuldensregelung der Länder neu. Gleichzeitig wird ein Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz in Höhe von bis zu 500 Mrd. Euro geschaffen, um die Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand anzukurbeln. Von dem geplanten Sondervermögen stehen 100 Mrd. Euro für Investitionen der Länder zur Verfügung, die theoretisch auch teilweise den Kommunen zugutekommen dürften. Zwar mag das Sondervermögen daher einen positiven – kurzfristigen – Effekt auf die Finanzsituation der Kommunen haben. Das strukturelle Finanzierungsdefizit der Kommunen wird damit jedoch nicht behoben.

Kernelemente des neuen Gesetzes

Kern der Grundgesetzänderung ist die Erweiterung der Bereichsausnahme in Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG. Ausgaben für Verteidigung, Zivilschutz und Nachrichtendienste werden ab einer bestimmten Höhe nicht mehr auf die Schuldenregel des Grundgesetzes angerechnet. Für diese Aufgabenfelder müssen Ausgaben bis zu einer Höhe von einem Prozent des nominellen Bruttoinlandprodukts durch den Haushalt finanziert werden. Sind höhere Ausgaben erforderlich, können diese Ausgaben demnächst durch Schulden finanziert werden. Auch für die Länder sieht das Gesetz Lockerungen bei der Schuldenbremse vor. Gilt für sie derzeit noch eine Schuldengrenze von null, dürfen sie künftig zusammen Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen.

Ergänzt wird das Gesetzesvorhaben durch die Einführung von Artikel 143h, der dem Bund ermöglicht, ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung von bis zu 500 Mrd. Euro aufzunehmen. Von den 500 Mrd. Euro werden 100 Mrd. Euro für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) genutzt. 100 Mrd. Euro stehen den Ländern für Investitionen in deren Infrastruktur zur Verfügung. Wie und in welcher Höhe Finanzmittel an die Kommunen gelangen sollen, ist derzeit noch nicht absehbar. Die Gesetzesbegründung schweigt hierzu.

Nur marginale Auswirkungen auf die Kommunen?

Da bisher nicht absehbar ist, wie und in welcher Höhe Kommunen von dem geplanten Sondervermögen profitieren sollen, ist zu befürchten, dass der positive Effekt des Sondervermögens für Kommunen eher marginal sein dürfte. Die Länder werden sich zunächst selbst aus dem Sondervermögen bedienen. Aber selbst wenn die Kommunen aus dem geplanten Sondervermögen einen erheblichen Anteil erhalten würden, würde dieser Anteil die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen nicht wesentlich verbessern. Dies wird deutlich, wenn man sich die kommunalen Haushalte anschaut: Alleine in den ersten drei Quartalen 2024 haben die Kommunen ein finanzielles Defizit von rd. 25 Mrd. Euro zu verzeichnen. Das Defizit ist insbesondere auf Aufgaben im Sozialbereich und steigende Personalkosten zurückzuführen.

Das geplante Sondervermögen, welches ja auf Investitionen in die Infrastruktur abzielt, wird dieses Defizit nicht (merklich) reduzieren können. Die Ausgaben im Sozialbereich und die Personalkosten werden auch durch das Sondervermögen weiter ansteigen. Den Kommunen wäre daher vielmehr geholfen, wenn sie grundsätzlich so mit Finanzmitteln ausgestattet werden, dass sie die ihnen obliegenden Pflichtaufgaben und (zumindest in geringem Umfang) auch freiwillige Aufgaben wahrnehmen können (beispielsweise durch eine Erhöhung des Anteils der Kommunen an der Umsatzsteuer). Da die Politik die Frage der angemessenen Finanzausstattung der Kommunen aber nicht grundsätzlich neuregeln will oder kann, sind die Kommunen auf Hilfe aus Karlsruhe angewiesen. Gelegenheit, den Kommunen eine angemessene Finanzausstattung zuzusprechen, hat das Bundesverfassungsgericht auf jeden Fall. Derzeit sind zumindest zwei von CBH betreute Verfahren in Karlsruhe anhängig, welche sich mit dem Recht der Kommunen auf angemessene Finanzausstattung befassen: Im Beschwerdeverfahren der Stadt Pirmasens und des Landkreises Kaiserslautern geht es im Kern darum, dass der kommunale Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz, der die Zuweisungen des Landes an die Landkreise und Städte regelt, nicht ausreichend budgetiert ist (Az. 2 BvR 1850/19). Der kommunale Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz ist schlicht und einfach mit zu wenig Geld ausgestattet, sodass die Kommunen strukturell unterfinanziert sind und die ihnen obliegenden Aufgaben nur durch die Inanspruchnahme von Liquiditätskrediten schultern können. Das zweite Beschwerdeverfahren (2 BvR 1632/24), in welchem der Landkreis Mansfeld-Südharz und der Salzlandkreis Beschwerdeführer sind, befasst sich mit der Problematik, dass die Landkreise in Sachsen-Anhalt in einer „Gletscherspalte“ gefangen sind: Beide Haupteinnahmequellen der Landkreise stehen unter einem Leistungsvorbehalt. Die Kreisumlage – die Einnahmequelle „von unten“ – steht unter dem Leistungsvorbehalt der kreisangehörigen Gemeinden. Diese müssen die Kreisumlage nur in dem Umfang erbringen, wie es ihre eigene Leistungsfähigkeit erlaubt. Die Zuweisung des Landes an die Landkreise – die Einnahmequelle „von oben“ – steht unter dem Leistungsvorbehalt des Landes. Das Land kann die Zuweisung angemessener Finanzmittel mit dem Argument verweigern, selbst nicht hinreichend finanziell Leistungsfähig zu sein.   

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Dr. Nico Herbst

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