KHZG-Förderung – Die Gesamtvergabe eines Patientenportals verstößt gegen das Gebot der Losaufteilung (VK Nordbayern, Beschl. v. 23.03.2023 – RMF-SG21-3194-8-6)

Mit Beschluss vom 23.03.2023 hat die Vergabekammer Nordbayern entschieden, dass die Gesamtvergabe von digitalem Aufnahme-, Behandlungs- und Entlassmanagement gegen das Gebot der Losaufteilung verstoße und das Entlassmanagement separat hätte ausgeschrieben werden müssen.

Der Fall

Die Vergabestelle eines Krankenhauses schrieb die Beschaffung und Implementierung eines Patientenportalsystems europaweit in einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus. Ziel war die Implementierung eines Portals für ein digitales Aufnahme-, Behandlungs- sowie Entlassungsmanagement, das im Rahmen des Fördertatbestands 2 (Patientenportale) des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) gefördert werden sollte. Eine Aufteilung in Lose erfolgte nicht.

Es gingen zehn Teilnahmeanträge ein. Bei acht der zehn Teilnahmeanträge wurde ein Nachunternehmer für das Entlassmanagement benannt; bei fünf der acht Nennungen war dies die Antragstellerin. Die Antragstellerin selbst reichte keinen Antrag ein. Bei einem weiteren Antrag wurde angegeben, dass dafür eine externe Softwarelösung benötigt werde.

Die Antragstellerin rügte zunächst die fehlende Aufteilung in Fachlose; das Entlassmanagement habe separat ausgeschrieben werden müssen. Mangels Abhilfe reichte sie einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 ff. GWB bei der zuständigen Vergabekammer ein.

Die Entscheidung der Vergabekammer

Die Vergabekammer hielt den Antrag für zulässig und begründet.

Der Antrag sei zulässig. Obwohl die Antragstellerin keinen Teilnahmeantrag eingereicht habe, sei sie antragsbefugt, da sie ein Interesse an dem Auftrag i. S. d. § 160 Abs. 2 GWB habe. Sie habe darlegen können, dass ihr mangels Losaufteilung ein Schaden gedroht habe, da ihre Zuschlagschancen im Rahmen einer Ausschreibung für das Entlassmanagement zumindest nicht ausgeschlossen seien.

Der Antrag sei auch begründet. Die beabsichtigte Gesamtvergabe verletze die Antragstellerin in ihren Rechten gem. § 97 Abs. i. V. m. § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB. Danach sind Leistungen grundsätzlich in Fachlosen zu vergeben. Bei den Leistungen des Aufnahme- und Behandlungsmanagements einerseits und des Entlassmanagements andererseits handele es sich um getrennte Märkte (a). Die zusammenfassende Vergabe sei auch nicht ausnahmsweise zulässig (b).

(a) Zwar habe die Vergabestelle grundsätzlich das Recht, Leistung und Umfang selbstständig zu bestimmen und auszuschreiben. Dies gelte jedoch nicht bei Vorliegen eines separaten Marktes, wie es hier einen für Entlassmanagement gebe.

Für eine Differenzierung sprächen bereits die unterschiedlichen Zielsetzungen und funktionalen Anforderungen, wie sie das Bundesamt für Soziale Sicherung in der Richtlinie zu § 21 Abs. 2 KHSFV (Richtlinie zur Förderung von Vorhaben zur Digitalisierung der Prozesse und Strukturen im Verlauf eines Krankenhausaufenthaltes von Patientinnen und Patienten nach § 21 Abs. 2 KHSFV vom 03.05.2021) benenne. Für das Aufnahme- und Behandlungsmanagement stünden hauptsächlich die Patienten im Fokus, wohingegen das Entlassmanagement vornehmlich die Mitarbeiter eines Krankenhauses beträfe. Hierfür habe sich auch, wie einer online abrufbaren Studie zu entnehmen sei, eine Art Start-up-Szene gebildet, die sich auf das Entlassmanagement spezialisiert habe.

Entscheidend seien aber die Teilnahmeanträge gewesen, da sie die Marktlage widerspiegelten. Daraus lasse sich ein eigener Markt herleiten. Acht der zehn Teilnahmeanträge hätten für das Entlassmanagement einen Nachunternehmer benannt, von denen wiederum fünf die Antragstellerin anführten. In einem weiteren Teilnahmeantrag sei angegeben, dass dafür eine externe Softwarelösung benötigt werde. Darüber hinaus existiere derzeit keine Patientenportalsoftware als Komplettlösung ohne die Einbindung von Fachunternehmen für Entlassmanagement.

(b) Die zusammenfassende Vergabe sei auch nicht ausnahmsweise zulässig. Nach § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB kann von der Losvergabe abgesehen werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Bei der Bewertung stehe der Vergabestelle eine Einschätzungsprärogative zu. Die Nachprüfungsinstanzen seien aber berechtigt zu überprüfen, ob diese auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung beruhe. Die Vergabestelle sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, da sie einen einheitlichen Markt für alle Bereiche angenommen habe. Auf die tatsächliche Erforderlichkeit einer Abweichung komme es nicht mehr an.

Fazit und Praxishinweis

Die Entscheidung ist in sich logisch und stimmig und reiht sich in die bestehende Entscheidungspraxis zur Losvergabe ein (vgl. VK Bund, Beschluss vom 10.03.2022 – VK 1-19/22; VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.01.2022 – 1 VK 63/21). Die Verpflichtung, Ausschreibungen in (Fach-)Losen vorzunehmen, wird bestätigt und vertieft. Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine intensive Prüfung des Anbietermarkts wesentlich ist, für den auch eher untypische Informationsgrundlagen, wie etwa der Informationsgehalt lediglich aus den Teilnahmeanträgen oder Studien, eine Rolle spielen können.

Es ist insgesamt ratsam, insbesondere bei geförderten Projekten im Vorfeld eine umfangreiche Markterkundung durchführen und vollständig zu dokumentieren. Andernfalls können Auflagenverstöße einen (Teil-)Widerruf des Förderbescheids zur Folge haben.

Rechtsanwalt Thomas Dahm
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