Immissionsschutz schlägt Windkraftausbau: OVG NRW kippt Genehmigungen wegen Verstoßes gegen Vorgaben des Immissionsschutzgesetzes und der TA-Lärm

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 25.03.2025 (Az. 7 D 213/23.AK) die Rechtswidrigkeit zweier Genehmigungen für Windenergieanlagen festgestellt. Das Gericht entdeckte insbesondere Rechtsmängel in der Bestimmung der immissionsschutzrechtlichen Analysen die für die Anlagengenehmigung standardmäßig vorzulegen sind. Aus diesem Grund konnte das Gericht zwar nicht die Aufhebung der Genehmigungen aussprechen, jedoch im Einklang mit dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (vgl. § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG) die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der behördlichen Entscheidung feststellen.

Der Hintergrund

Im besagten Fall wandten sich die Kläger gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für zwei Windenergieanlagen und befürchteten insbesondere Rechtsgutsverletzungen in Form von Gesundheitsgefährdungen aufgrund zu erwartender Schallimmissionen der Anlagen. Teil ihrer Begründung war dabei insbesondere, dass das Vorhaben rechtswidriger Weise Belange des Lärmschutzes während der Planung nicht ausreichend berücksichtigt hätte, da die zulässigen Grenzwerte der TA-Lärm überschritten würden.

Die Entscheidung

Das Gericht gab den Klägern im Hinblick auf die unzumutbare Lärmbelastung recht. Juristisch hergeleitet wurde dies über die nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu beachtenden Bestimmungen der TA-Lärm. Unter Verweis auf ebendiese hat das Gericht festgestellt, dass der für die Nachtzeit und die hiesige Anlage maßgebliche Richtwert von 45 dB(A) in der Prognose überschritten wurde. Während die erste Windenergieanlage diesen Richtwert mit 44 dB(A) zwar noch einhielte, sei die prognostizierte Betriebslautstärke der zweiten Anlage um 1 dB(A) zu laut. Diesbezüglich hatte der Vorhabenträger noch auf eine unerhebliche Umwelteinwirkung im Sinne des Nr. 3.2.1. Abs. 3 TA-Lärm verwiesen, doch genau an dieser Stelle sieht das Gericht den maßgeblichen Anwendungsfehler der TA-Lärm.

Nach Nr. 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm soll für die zu beurteilende Anlage die Genehmigung wegen einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA-Lärm aufgrund der Vorbelastung dann nicht versagt werden, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass diese Überschreitung nicht mehr als 1 dB(A) beträgt. Nach Ansicht des Gerichts kann diese Regelung im entschiedenen Fall bereits keine Anwendung finden. Sie sei nämlich nur dann anwendbar, wenn die Überschreitung aufgrund einer bestehenden Vorbelastung zustande kommt. In diesem Kontext hatte der Vorhabenträger die ebenfalls zu errichtende Windenergieanlage als Vorbelastung gewertet. Diese Auslegung des Vorbelastungsbegriffs wurde vom Gericht so indes nicht geteilt. Eine Vorbelastung im Sinne der TA-Lärm (Nr. 2.4 Abs. 1 TA Lärm) könne nur dann angenommen werden, wenn eine „andere“ Anlage Verursacher dieser Belastung wäre. Im immissionsschutzrechtlichen Sinne seien die hier relevanten Windenergieanlagen jedoch als eine einzige Anlage zu bewerten. Dies wird primär mit einer systematischen Auslegung des immissionsschutzrechtlichen Anlagenbegriffs (vgl. § 3 Abs. 5 Nr. 1 der 4. BImSchV) begründet, nach welchen mehreren Anlagen der gleichen Art, die in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen, und einem gleichartigen Zweck dienen, eine Anlage bilden. Dies sah das Gericht als gegeben an, und der Verweis der Vorhabenträgerin auf eine unbeachtliche geringfügige Richtwertüberschreitung wurde verworfen.

Folgen für die Praxis

Das Urteil unterstreicht die weiterhin hohen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen im Anlagenrecht, und macht noch einmal deutlich, dass auch geringwertigen Überschreitungen der immissionsschutzrechtlichen Vorgaben erhebliche Konsequenzen für die Vorhabenträger haben können. Das Urteil legt somit nochmal eindrücklich dar, dass eine sorgfältige Prüfung und Prognose der immissionsschutzrechtlichen Auswirkungen eines Vorhabens und deren rechtliche Bewertung unabdingbar sind.

Zurück
Ben Riedel, LL.M.

Ben Riedel, LL.M.

ZUM PROFIL